Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
wieder Hedwig zu und sagte: „Du kommst besser mit uns.“ Er betonte das „uns“ und sah erst den Dunkelhaarigen, dann Zimtfresse an.
Der weiß Bescheid!, begriff Ryss.
Hedwig wollte sich losmachen, wurde nur noch fester gehalten. Das schöne Mädchen zappelte in Zimtfresses Fängen. Um den jungen Mann packen zu können, musste Rotnase Ryss loslassen. Er tat es. Ryss war wachsam bis in die Haarspitzen.
„Du gehst besser deiner Wege. Das hier sind Familienangelegenheiten!“
„Fa…?“, stotterte das Mädchen, dann legte sich ein zorniger Ausdruck auf ihr Gesicht, und sie zischte, während sie sich wand wie ein fauchender Drache: „Familienangelegenheiten? Entführung und Mord?
Eurer
Familie möchte ich nicht angehören!“ Sie bemerkte das Messer, mit dem Rotnase den jungen Mann bedrohte, und weitete vor Schreck die Augen.
Leute sahen zu ihnen her.
Ryss spürte endlich seine Gedanken freier werden.
Drei, die sich um drei kümmern mussten. Er sollte schnell sein. Er biss die Zähne zusammen, bückte sich geschwind, was mit dem Rucksack vor dem Bauch beschwerlich war, griff in den Stiefelschaft, zog seinen Dolch hervor. Noch ehe einer wusste, was er vorhatte, war er bei dem Dunkelhaarigen, durchtrennte die Trageschnur des Buches mit zwei schnellen Schnitten, das Buch fiel in den Schneematsch, gleichzeitig bückten sie sich danach, weshalb der Mann Hedwig losließ.
Juli quäkte.
Ryss hieb dem Dunkelhaarigen den Dolch in den Handrücken, als der nach dem Buch griff.
Der stieß einen zischenden Laut aus.
Ryss raffte das Buch an sich. „Buch gegen Mann, so war’s ausgemacht.“
Hedwig stand wie angewurzelt.
Der Dunkelhaarige presste die andere Hand auf die Verletzung.
Rotnase winkte Leute weiter, die neugierig stehen geblieben waren. „Hier gibt es nichts zu sehen! Familiensache, macht euch davon!“
Die Leute trollten sich.
Ryss sah, wie sich das Mädchen und der Junge einen Blick zuwarfen. „Und nun gehen wir zu ihm“, schlug er vor und rang sich ein Lächeln ab. Er nickte reihum. „Alle!“ Auch der Junge kam ihm bekannt vor, wo hatte er die beiden nur schon einmal gesehen? Er presste den rechten Arm fest an den Körper, hielt eisern den Dolch umklammert; seine linke Faust krallte sich in das Restchen Schnur am Buch.
„Gehen wir!“, tat Ryss unbedarft und deutete mit dem Kopf Bewegung an.
Er sah die Blicke, die sich die drei zuwarfen. Sie wollten nicht, dass man dies bemerkte, natürlich nicht.
„Sie haben Philipp!“, rührte Hedwig sich plötzlich. „Sie halten ihn gefangen und …“
„Nein!“ Das Mädchen und der Junge schrien es fast aus einem Mund. Schon wieder warfen sie sich einen raschen Blick zu.
War wohl Tag der Blicke heute, denn auch Hedwigs Augen zuckten nun zu ihm. Gaben ihm zu verstehen, dass sie nicht begriff. Ebenso sahen vorbeigehende Leute neugierig zu ihrem Grüppchen herüber.
Rotnases Kiefer mahlte.
Zimtfresse rutschte bei des Mädchens Gezappel die Kapuze vom Kopf. Ryss sah seine blau geschwollene Wange und fragte sich, ob das von dem Tritt rührte, den er ihm im Wald verpasst hatte.
„Was meinst du damit?“ Es war das erste Mal, dass der Dunkelhaarige den Mund aufmachte. Er sprach mit gefährlich leiser Stimme – und alle Köpfe ruckten zu ihm herum.
Niemand gab ihm Antwort.
„Oh bitte!“, flehte Hedwig. Sie stellte sich vor ihn hin. „Machen wir dem ein Ende. Bringt mich zu meinem Mann. Das Buch wird er Euch dann geben.“ Über die Schulter sandte sie Ryss einen flehentlichen Blick aus großen, traurigen Kornblumenaugen, die sagten: So weit haben wir es geschafft – und nun soll alles vergebens gewesen sein?
Der Dunkelhaarige sah auf sie herab mit einem solchen Erstaunen im Blick, als wäre Hedwig soeben vom Himmel vor seine Füße gefallen. Seine Linke umklammerte noch immer die verletzte rechte Hand, Blut quoll hervor.
„Entsprecht ihrer Bitte, gehen wir, meint Ihr nicht!“, sagte Ryss spöttisch.
„Was auch immer sie dir erzählt haben, Hedwig, es stimmt nicht“, sagte nun der junge Mann, der unter Rotnases Dolch reglos stand.
Hedwig fuhr zu ihm herum.
„Aber sie haben Philipp. Sie haben ihm ein Leid angetan!“, rief sie und brach in Weinen aus. Juli stimmte mit ein.
„Den Teufel haben sie, Hedwig, Philipp ist in Sicherheit.“
„Was?“ Fassungslos starrte sie den Burschen an. „Was sagst du da, Kilian?“
Duw Mawr
, er hatte es geahnt. Er hatte es gespürt. Er hatte es gewusst. Ja, der Finger, der hatte auch ihn
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