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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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seine Kraft, die Erregung im Zaum zu halten. In wenigen Minuten würde er zum angegebenen Treffpunkt beim Eselsweg aufbrechen. Wahrlich ein Glück, dass wegen des Einzugs des Tataren alle auf den Beinen waren. Er hatte bereits vorgefühlt, hatte Registrator Heberer – dankbar um die Leutseligkeit, die der Mann ihm entgegenbrachte – gefragt, ob er auch zuschauen würde. Hatte innerlich frohlockt, als er dessen Ja vernahm. Denn er musste das Buch ungesehen zurück ins Archivum bringen. Erst danach durfte er Hedwig und Juli wiedersehen. Der Hundsfott würde ihm sagen wo. Und wann, wohl am Abend, wenn er die Kanzlei verließ. Die Ungeduld sprengte ihn fast entzwei. Am Abend erst. Bis dahin war so vieles ungewiss. Was, wenn man ihn ertappte? Jäh fiel ihm ein, dass er sich noch gar nicht überlegt hatte, was er dann vorbringen sollte. Warum hatte er sich nicht längst etwas zurechtgelegt? Er schalt sich einen Narren und wusste doch die Antwort. Allein an Hedwig und Juli hatte er denken können, nichts anderes hatte Platz in seinem Kopf. Er wusste nicht einmal, wie er den gestrigen Tag, die Nacht, den heutigen Vormittag überstanden hatte. Erinnerte sich dumpf an die Herablassung, mit der Sekretarius Dürr ihn gestern Morgen getadelt hatte, weil er vergessen hatte, die Tinte an dessen Platz zu stellen. Erinnerte schmerzhaft Kilians mitfühlenden Blick, als er ihn mittags im Marstall besucht hatte. Er wusste noch, dass Wittib Ringeler ihm gestern Abend den Eintopf gebracht hatte. Als sie bei ihm bleiben, aufräumen und saubermachen wollte, hatte er sie fortgeschickt. Voller Verständnis hatte sich die Witwe zurückgezogen, weil sie ihn in Sorge um die Schwiegermutter wähnte. Oder in Gram wegen eines vermeintlichen Streits mit seinem Weib.
    Philipp stützte den Kopf in die Hände. Er hatte sich für einen kurzen Augenblick in die Schreibstube im Erdgeschoss zurückgezogen. Vom Eingangsbereich drangen Stimmen herein, Gelächter, das Schlurfen zahlreicher Ledersohlen auf dem steinernen Boden. Alle drängten nun hinaus zum Spectaculum. Er würde ebenfalls aufbrechen. In die entgegengesetzte Richtung.
    Die Tür ging, Nickel stand in der Stube. „Dacht ich mir’s doch“, sagte er spöttisch. „Die Ratte hockt in ihrem Rattenloch.“
    Philipp sah auf. Nicht schon wieder Nickel, nicht jetzt! Er war zu abgespannt, um auf Nickels Bosheit einzugehen. „Was willst du?“, fragte er müde.
    Nickel grinste hinterhältig. „Jemand muss hierbleiben, wenn alle fort sind.“ Er machte eine künstliche Pause, Philipp wusste, was nun kam, und trotz seiner Erschöpfung spürte er die Wut hochkochen. Langsam erhob er sich.
    „Und dreimal darfst du raten, wer dieser Jemand …“
    Nickel verstummte, als er seinen Blick sah. Philipp hatte den Schreibtisch umrundet, ging auf den Kollegen zu, beide Hände zu Fäusten geballt. „Dieser Jemand“, zischte er nah vor Nickels Gesicht, „ist besser derjenige, der ansonsten ebenfalls die Oberaufsicht über alles hat.“
    Nickel stieß Luft aus, verächtlich, überrascht. Er wollte etwas entgegnen, Philipp schnitt ihm das Wort ab, sich bewusst, dass nichts und niemand ihn aufhalten würde. „Ich gehe, Nickel Scheißhaufen! Bei Gott, du wirst mich nicht zurückhalten!“
    Nickel pfiff kurz in spöttischer Anerkennung. „So, meinst du?“
    Philipp spürte die Anspannung am ganzen Leib. Er würde diesen Schinder zusammenhauen. Er spürte die mühsame Beherrschung, spürte, wie er vor Groll zu zittern begann. Einen Herzschlag lang standen sie sich gegenüber, abschätzend, lauernd. Kalt war Nickels Grinsen, mit dem er schließlich die Schultern zuckte. „Hau doch ab!“, spuckte er ihm ins Gesicht. „Wirst schon sehen, was du davon hast!“
    Philipp ließ ihn einfach stehen und ging zur Tür. Er hielt inne. Wandte sich um, sah Nickel ins Gesicht. Der lauerte, was nun noch käme. „Ich tue meine Arbeit gewissenhaft. Du kannst mir nichts anhaben“, wollte er sagen, doch die Worte erstarben ihm auf der Zunge, und die Angst schlug mit Wucht in seinen Magen ein. Man konnte ihm neuerdings sehr wohl etwas anhaben. Wenn schiefginge, was er zu tun gezwungen war, war er längste Zeit Kanzleiknecht gewesen. Nickel starrte ihn noch immer spöttisch grinsend an. Philipp senkte den Blick, um ihm keine Veranlassung zu Argwohn zu geben. Mit einem Ruck wandte er sich zur Tür um, öffnete sie und klaubte im Hinausgehen seinen Mantel vom Haken an der Wand.
    Er hatte den anderen gesagt, er käme nach. In all

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