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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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unteren Wurzelstrang, den sie mehr ahnte, als sie ihn sehen konnte. Sie ließ seine Hand los, fasste eine Wurzel, ließ auch diese los und sprang. Landete in einem Hohlraum, in dem sie nur gebückt stehen konnte. Erde, nicht schneebedeckt. Ein Gewirr aus Wurzeln ragte in unterschiedlicher Dicke in alle Richtungen. Sie erkannte die Umrisse seines Rucksacks, darauf schief das dicke Buch, daneben ihre Stiefel. Ein, zwei Schritte weiter und sie würde hinunterrutschen in die Tiefe. Sie wollte ihm die Hand reichen, damit er zu ihr heruntersteigen konnte, doch er war weg. Wohin war er verschwunden? Warum kam er ihr nicht nach? Sie versuchte, um die Wurzeln herumzuspähen, aber von hier unter dem Baum konnte man nicht nach oben sehen. Warum kam er nicht? Ihr Herz raste noch immer, sie atmete schwer und lauschte, lauschte – doch da war nichts.
    Und dann hörte sie doch, wie er herankam, sie hörte sein Keuchen, als er herunterkletterte. Sie reichte ihm die Hand, er nahm sie, hüpfte stöhnend in den Unterschlupf, sie trat einen halben Schritt zur Seite, um ihm Platz zu machen, roch seinen Kräutergeruch, als er dicht neben ihr auf dem schiefen Untergrund einknickte. Schnee fiel von seinem Umhang, Schneeklumpen gar, in gebückter Haltung klopfte er sie fort.
    „Was habt Ihr gemacht?“, fragte sie.
    „Mich im Schnee gewälzt.“
    „Euch was?!“
    „Vielleicht sie halten es für eine Suhle. Oder den Kampfplatz zweier Hirsche. Vielleicht sie lassen sich täuschen, auch wenn unsere Spuren führen darauf zu.“
    Hedwig schluckte.
    „Ich habe sie verwischt, so gut es ging. Dort oben jedenfalls.“ Er machte Anstalten, sich hinzusetzen, wies neben sich. „Jetzt wir können nur hoffen.“
    „Ja“, entgegnete sie tonlos und ließ sich neben ihm nieder. Sie saßen mit angewinkelten Knien. Durch den Wollstoff ihrer Umhänge berührten ihre Arme und Schenkel sich. Sie spürte seine Körperwärme neben sich und das Erde-Wurzelgeflecht in ihrem Rücken, als sie sich dagegen kauerte.

Fünfzehn
    „Hedwig wird überrascht sein, was, Mama?“, rief Michel.
    „Sicher wird sie das.“
    Matthias drehte den Kopf zur Seite. Gundel, die neben ihm vorne auf dem Fuhrwerk saß, schmunzelte nach hinten, wo Michel, Sebastian und David eng aneinandergekauert unter einer Wolldecke im Wagen saßen und die Hälse zum Torturm des Speyerer Tors vor ihnen reckten. Als sie wieder nach vorne sah, streifte sie seinen Blick und schenkte ihm ein glückliches Lächeln. Ihre Wangen waren kältegerötet. Er legte den Arm um die Schultern seines Weibes und drückte sie kurz an sich. Es freute ihn, dass er ihr mit dieser Reise eine Freude machte. Er ließ sie los und wandte sich zum Lehrer Baumann um, der hinter ihrem Fuhrwerk auf seinem Mietpferd in der Reihe wartete. Neben ihm stakste der Rappe seiner Schwester vom rechten auf den linken Vorderhuf, ihr Stiefsohn Cornelius beugte sich vor und tätschelte ihm den Hals. Pferde und Menschen stießen Atemwolken in die Luft, ein kalter Wind fuhr durch Mähnen und bauschte Wollumhänge. Sie hatten es zügig und gut bis vor Heidelbergs Tore geschafft.
    „Nur ein Fuhrwerk noch vor uns, die Esel sind durch“, rief Matthias nach hinten und der Lehrer nickte. Vor dem Speyerer Tor, etwa auf der Höhe des Eingangstores zum Exerzierplatz rechter Hand, waren sie zum Stehen gekommen. Die beiden Ochsen am Gespann vor ihnen zeigten sich nun ebenso störrisch wie die vier Esel zuvor, die lieber links in den Hain vor der westlichen Stadtmauer ausgebrochen wären, statt sich durch den Torbogen treiben zu lassen. Matthias drehte sich wieder nach vorn. Rechts des breiten Torbogens ragte der Torturm mit dem spitzen Turmhelm auf. Vier kleine Wehrerker mit spitzen Helmen saßen auf jeder Ecke der Dachseiten; in der Turmmitte sahen die schmalen Fensterschlitze aus wie zum Gähnen aufgerissene Mäuler. Matthias ließ den Blick nach links schweifen, wo das Tor von einem kleinen runden Turm hinter der Stadtmauer begrenzt wurde, dessen Turmspitze kaum den Fachwerkaufsatz des Torbogens überragte. Er wartete darauf, dass es weiterginge. Sie alle waren genug gesessen, man sollte sich besser bewegen, um die Kälte aus den Gliedern zu vertreiben.
    Endlich hatte man die Ochsen da vorne im Zaum. Matthias schnalzte mit der Zunge, winkte nach hinten, ohne sich umzudrehen. Unter dem Tor hielt er an. Der Torwächter zog den Handrücken unter der Nase lang und deutete auf die verschnürten Bündel im offenen Wagen.
    „Mitbringsel für die

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