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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Rauten verzierten Wecken. Auch solche mit den beiden Fischen, die zum württembergischen Wappen gehörten, gab es. Wieder hörte Matthias fremde Sprachen, Latein gar, als ein Magister auf einen Kaufherrn im knielangen, Pelz gefütterten Mantel einschwätzte, mit dem zusammen er aus einem großen Haus auf die Gasse trat. Man sah kurze Puffhosen, lange gepolsterte Kniehosen, Halskrausen in allen Größen, pelzverbrämte hohe Mützen, Baretts mit Federbüschen in leuchtenden Farben. Man sah Bürgerinnen, die große Hauben trugen, deren breite Kinnbänder Wange, Mund und Stirn verhüllten. Man sah leuchtende Tuche und graue wollene Umhänge, man sah schwere goldene Ketten auf schwarzen Schauben, man sah zerlumpte Kinder in schmutzigen Hosen und zerfetzten wollenen Tüchern um die Schultern, man sah kniehohe Stulpenstiefel und flache Lederschuhe, und mindestens drei Leute hatte Matthias gar barfuß gesehen, die Zehen schwarz vor Kälte oder Fäule oder Dreck oder allem zusammen. Ja, hier bekam man wahrlich anderes zu Gesicht als in Reilingen. Lebendig und laut war es. Nichts hielt die Leute jetzt noch in den Häusern, welch eine Menschenansammlung! Und je näher sie Heiliggeist kamen, desto dichter drängten sich die Leute, desto lauter erscholl das Gelärme. Dort, wo die Haspelgasse in den Fischmarkt mündete, kamen sie erneut zum Stehen. Matthias gewahrte, wie Gundel den Hals reckte, sich auf Zehenspitzen stellte und über die Köpfe der Menge hinweg das Beliersche Haus zu sehen versuchte. Doch von der Oberen, der Hauptstraße, her strömten ebenfalls derart viele Leute, dass es wirklich keinen Sinn ergab, wenn sie nun dorthin abböge. Sie presste die Lippen aufeinander, sah ihn an und schüttelte sacht den Kopf. Wieder legte er den Arm um ihre Schulter, zog sie an sich und raunte ihr ins Ohr: „Gedulde dich, nur ein wenig noch.“
    Sie nickte und sah um sich. „Wo sind die Jungen?“
    Matthias erkannte sie weiter vorne im Gewühl. Cornelius und der Lehrer hatten sie im Auge, das gaben sie ihm mit Blicken zu verstehen, als sie zu ihm zurücksahen. Matthias nahm Gundels Arm und schob sie beide zu ihnen vor, Cornelius mahnte die drei Jüngeren mit einem scharfen Pfiff zu warten.
    „Die nächste Gasse ist die, die er hochkommen wird“, sagte Matthias. Sie schafften noch höchstens drei Schritte, dann ging es endgültig nicht mehr weiter. Matthias wurde derart stark angerempelt, dass ihm sein nachtblauer Filzhut vorne über die Augen rutschte. Der Verursacher entschuldigte sich, er war selbst gestoßen worden. Cornelius winkte, machte mit erhobenem Arm ein Zeichen, dass er die Jungen erreicht und einen guten Standort hatte. Von den Häuserwänden linker Hand bis hinüber zu Heiliggeist rechter Hand wogte die Menschenmenge. Junge Gesellen trugen ihre Liebchen auf den Schultern, wurden deshalb ausgescholten und mussten die Mädchen herunterlassen. Über den Köpfen der Leute schwankten die Spitzen der Hellebarden der Stadtbüttel, die in dem Andrang die Ordnung zu wahren suchten. Und dann erschallten Fanfaren und Trompeten, Sackpfeifen fielen mit ein, und er sah die Geleitreiter mit den Wappen, die Hirschstangen, Rauten und Fische Württembergs neben den goldenen Kurpfälzer Löwen. Die Menge johlte, man schrie, dass es Matthias in den Ohren wehtat. Das Nächste, was er sah, war etwas Rotes, das munter wippte und das wie eine spitze Zipfelmütze aussah, mit einem runden, mit Wedeln geschmückten Bommel am oberen Ende. Gundel neben ihm stellte sich auf Zehenspitzen, sie fasste nach seiner Hand, um besseren Halt zu haben, Matthias reckte sich. Ein kleiner, fremdartig gewandeter Mann ging vor einem Tier her, das er an einem Seil führte. Das also war das Kamel. Es hatte einen langen, gebogenen Hals, der dem eines Schwanes glich. An dessen Ende saß ein kleiner Kopf mit Augen, Ohren, Nüstern und Maul, Letztere denen eines Pferdes nicht unähnlich, weshalb es wohl auch gezäumt war wie das Haupt eines Pferdes. Matthias sah das kleine Glöckchen, das man an die Trense gebunden hatte. Hören konnte er es in dem Lärm ringsum allerdings nicht. Das Kamel schritt mit wiegendem Gang einher, Bommel und Wedel an der Spitze des Überwurfs wogten dabei mit. Die rote Decke verhüllte und schmückte gleichermaßen seinen enormen Buckel. Matthias bog sich nach rechts und links und vor und zurück, um eine bessere Sicht auf den Tataren zu haben. Er hatte nicht erwartet, dass der so klein war. Er trug einen erstaunlich hohen blauen Hut,

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