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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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dem Tumult würde nicht auffallen, dass er dies nicht tat. Wenn später alle über das Geschehene schwatzten, würde er eben schweigsamer sein. Und immerhin würde er trotzdem wissen, wie ein Kamel aussah, und würde mitreden können. Vor einigen Monaten hatte der Herzog von Württemberg schon einmal eines als Geschenk für Kurfürst Friedrich geschickt. Damals zusammen mit einem Mohren.
    Philipp eilte durch die Obere Kalte Tal Gasse in Richtung östlicher Stadtmauer – so rasch das schneebedeckte Pflaster es zuließ. Die Gasse war wie ausgestorben. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, seine Glieder schmerzten noch immer, seine Wange desgleichen.
    Er näherte sich der Stadtmauer, warf einen raschen Blick nach links zum Wachturm und den Weg hinunter, der an der Mauer entlangführte. Niemand war unterwegs. Er bog rechts ab, erreichte die ausgetretenen Stufen der Treppe, die ein Stück weiter oben in einen kleinen Vorplatz mündete. Von diesem zweigte rechts ein gerader, schmaler Pfad ab, den der Mühlesel nahm, wenn er Mehl von der kurfürstlichen Mühle am Neckar hinauf zum Schloss brachte. Der Vorplatz wurde links von der Stadtmauer begrenzt, die sich hier den Friesenberg hinauf zum Schloss zog. Philipp erreichte die oberste Stufe, war mit wenigen Schritten an seinem Ziel angelangt: die Scharte in der Stadtmauer. Eine Meise flog von der Mauerkante auf. Sonst war niemand hier. Sein Herz klopfte ihm im Hals, vom raschen Gehen, vor Aufregung. Mittag hatte der Hundsfott gesagt. Er hatte die Glocken von Heiliggeist schlagen hören, kaum dass er die Kanzlei verlassen hatte. Wo also war der andere?
    Philipp drückte sich an die Mauer, spähte durch die Schießscharte hinaus, ein eisiger Wind biss ihm ins Gesicht. Weiße Landschaft. Unmittelbar an der Stadtmauer fiel der Hang ab in ein schmales Tal, stieg auf der anderen Seite wieder an. Sah er nach links, konnte er die Dächer der Häuser in der Jakober Vorstadt sehen, dunkel hoben sie sich vom Schnee ab. Er kniff die Augen zusammen, suchte nach der Gestalt, auf die er wartete. Das war aberwitzig, denn davon abgesehen, dass man von diesem Ausguck nur zwergenkleine Menschen sah, war es unwahrscheinlich, dass der Mann sich noch draußen in der Jakober Vorstadt aufhielt. Bis der hier oben bei ihm wäre, wäre Philipps Mittagspause vorbei. Er musste innerhalb der Stadtmauer sein! Philipp trat vom Ausguck zurück, maß die Schritte von Wand zu Wand, drei, trat hinaus auf den kleinen Platz, wandte sich nach rechts zum Kopf der Stufen. Keiner kam.
    Wo blieb der vermaledeite Hundsfott?
    Er ging vom Kopf der Treppe hinüber zur Abzweigung des Eselswegs. Wieder zurück. Wieder hin. Zurück.
    Das konnte doch nicht wahr sein, wo blieb der Mann?
    Schließlich drückte er sich wieder in die Mauernische, zog sein Kurzschwert hervor und ritzte Striche hinein.
    Was, wenn er nicht käme?
    Nicht so etwas denken, Philipp Eichhorn! Er wird kommen. Das Buch wird kommen, ich werde es zurückbringen, niemand wird etwas merken. Hedwig und Juli werden am Abend wieder bei mir sein!
    Es wird gutgehen!

Siebzehn
    „Hat man je so viele Geschöpfe auf einem Haufen gesehen?“, rief Matthias lachend.
    Der Lehrer lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf. Sie hatten soeben das Mitteltor durchschritten, und mit einem Schlag schien sich die Menschenmenge verzehnfacht zu haben. Von rechts, von der Universität her, tänzelten Scharen von Studenten herbei, sie lachten, und Matthias hörte zwei von ihnen in einer ihm unbekannten Sprache reden.
    Vor ihnen lag Heidelbergs Hauptstraße, und wer Beine hatte, gleich ob zwei oder vier, schien unterwegs. Man ritt auf einem Esel oder führte ihn neben sich; man zerrte einen Handkarren hinter sich her und zeterte mit den Umstehenden, wenn man damit in dem Gewühl nicht weiterkam. Man trug ein Kind geschultert oder zog den kleinen Sohn von einem Scheißhaufen weg, den der begeistert befingerte.
    Er hörte, wie Gundel sagte: „Ein Paradies für sämtliche Spitzbuben und Beutelschneider! Cornelius, Obacht ist geboten bei diesem Gedränge!“ Und schon wurde sie von zwei Burschen angerempelt, die ein Weib in ihre Mitte genommen hatten und zu dritt durch die Menge torkelten. Man lallte ihr eine Entschuldigung zu, kicherte dümmlich und schlitterte weiter.
    Der Tumult, der Dreck, das Stimmengewirr, die Farbenpracht und die Gerüche – nicht nur die Jungen rissen vor Erstaunen die Augen auf. Matthias war gleichsam überrascht, auch wenn er sich hatte denken können, dass

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