Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Tochter“, lächelte Gundel. „Latwerge, Salzfleisch, gestrickte Socken.“
„Wo können wir Wagen und Pferde lassen?“, fragte Matthias.
„Das Heiliggeiststift hat Ställe. Gleich hinterm reichen Spital.“ Der Wächter deutete Richtung Stadt.
„Danke“, antwortete Matthias und fuhr an.
Vor ihnen lag die breite Speyerer Straße, die durch die westliche Vorstadt auf das Mitteltor zuführte. Hundegebell und Jaulen erklangen aus dem Hof neben dem großen Fachwerkgebäude mit dem dreigeteilten Dach rechts der Straße. Soweit Matthias wusste, war dies der Hundshof für die Jäger des Kurfürsten. Die Ochsen von vorhin zockelten gute zwei Fuhrwerkslängen vor ihnen durch den schmutzgrauen Schneematsch, auf dem hie und da Pferdeäpfel dampften. Von links aus der Fahrtgasse strömten Menschen in die Speyerer Straße. Die Gasse führte hinunter zum Neckar, wo die Fährboote anlegten. Man kam auch von Handschuhsheim oder der Bergstraße herbei, um dem Einmarsch des Tataren zuzuschauen. Matthias überholte die Leute, hörte deren munteres Schwatzen. Rechter Hand standen zwei Edle in oberschenkellangen runden Pumphosen, fein gestrickten wollenen Strümpfen und schwarzen Samtschauben mit Schulterpuffern vor dem Tor des zweigeschossigen Steinhauses des Deutschordens. Ihre Halskrausen waren groß wie Mühlräder, die Hütchen hoch und steif, und Matthias schmunzelte, als er kurz nach hinten sah und bemerkte, wie Michel vor Erstaunen das Maul offenstand. Hier in der westlichen Vorstadt lagen zahlreiche kurfürstliche Gebäude sowie die Stadthöfe von Adligen und Klerikern. Matthias lenkte den Karren weiter nach links, fuhr am reichen Spital vorbei, das einst ein Dominikanerkloster gewesen war. Gleich dahinter lagen die Gebäude des Heiliggeiststifts. Er brachte das Gefährt zum Stehen, stieg ab und trat nach vorne zu seinem Gaul. „Gut gemacht, Junge“, raunte er Walko zu und tätschelte ihn am Widerrist. „Weiß ja, dass du dich nicht gern vor den Karren spannen lässt. Dafür gibt’s eine extra Portion Hafer, versprochen.“ Walko blähte die Nüstern und wackelte mit den Ohren.
Cornelius und der Lehrer saßen ab, stiefelten in kleinen Kreisen umher, um die steifen Glieder zu lockern, die Buben sprangen vom Wagen. Michel und Sebastian rannten umeinander. Matthias winkte seine Reisegruppe zu sich. „Der Rappe und das Mietpferd brauchen nur einige Stunden Unterstand. Mein Gaul und der Karren zwei Tage und Nächte.“
„Vater hat mir für alles Geld mitgegeben, Oheim Großhans“, vermeldete Cornelius.
„Gut“, nickte Matthias. „Ich gehe hinein und regle das. Wir haben unterwegs ja bereits über den Ablauf geredet. Zunächst will mein Weib beim Haus Belier vorsprechen, um Hedwig kurz zu sehen und die Kleine in ihre Obhut zu nehmen. Der Tatar wird über die Brücke kommen und auf dem Marktplatz haltmachen, ehe er hinaufzieht zum Schloss. Wir bleiben zusammen, werden das Spectaculum anschauen. Falls das mit der Kleinen zu viel wird, geht mein Weib zur Wohnung unserer Tochter vor. Hernach macht Ihr, Baumann, Euren Gang zum Buchhändler. Die letzte Stunde vor Eurem Heimritt sind wir im Marstall.“ Matthias sah die Buben bis zu den Ohren grinsen und sich vor Freude gegenseitig anstoßen. Er wandte sich wieder an den Lehrer: „Ist sicher das Beste, wir treffen uns an Heiliggeist und gehen dann zusammen zum Marstall. Ich komme mit, wenn Ihr die Gäule aus dem Unterstand holt, und nehme die Sachen aus dem Karren. Sollten wir uns verlieren, ist jede volle Stunde Treffpunkt an Heiliggeist.“ Matthias sah reihum, sein Blick heftete sich vornehmlich auf die drei jüngeren Buben. „Hat das jeder verstanden?“, setzte er streng nach.
Alle nickten, Baumann blies warme Luft in seine Hände. Leute drängten an ihnen vorbei, Weiber, Männer, Kinder. Alle schwatzten, riefen, lachten.
„Gut“, sagte Matthias zufrieden. „Dann los.“
Sechzehn
In der Kanzlei hörte man nichts anderes. Den ganzen Morgen schon fragten die Kollegen ihn, ob er mitkäme, den Tatar zu sehen. Viele Kanzleiverwandte wollten hinunter zum Marktplatz, andere, die älteren meist, tippten sich den Zeigefinger an die Stirn und schmunzelten, sie seien doch nicht närrisch, bei diesem Schnee den Weg zu machen, wo der Fremdling mit seinem Kamel ohnehin nahe der Kanzlei vorbei hinauf zum Schloss zöge.
Philipp war das gleich. Natürlich hätte er das Spectaculum gerne angesehen. Wenn alles so wäre wie immer. Aber das war es nicht. Es kostete ihn all
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