Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
hatte rabenschwarzes kurzes Haar und einen sehr spitzen schwarzen Kinnbart. Sein grüner Rock war knielang und wurde um die Leibesmitte von einem bortenbesetzten Gürtel zusammengehalten. Die Rockschöße schwangen von dort bis zu den Knien auf wie ein umgedrehtes V, die Säume waren mit der gleichen silbrigen Borte besetzt, die auch den Gürtel zierte. Seine eng anliegenden roten Hosen endeten unterhalb des Knies in schwarzen Stiefeln mit gelbbraunem Ansatz am Schaft. Was für eine Erscheinung! Ein Mann, den man in Ungarn gefangen hatte und dessen Heimat noch weiter östlich davon lag – und von der Matthias keinen Schimmer hatte. Er behielt ihn im Blick, betrachtete das fremde Gesicht und suchte zu ergründen, was der Mann wohl empfinden mochte. Es war nicht auszumachen. Maßvoll schritt er einher, die rechte Hand ruhte gelassen auf dem Knauf seines Schwertes, das eine leichte, säbelartige Krümmung hatte. Hin und wieder wandte er den Kopf und sah sich nach dem Tier um. Er zog hinüber zum Marktplatz, lärmend folgten ihm die Menschen, im Zaum gehalten von den Stadtbütteln, die ihre Hellebarden quer hielten.
Matthias blickte der gemächlich wiegenden Gangart des Kamels hinterher. Gundel, die seine Hand längst losgelassen hatte, griff erneut nach ihr. Er sah sie an. „Es hat einen Buckel und einen Hals so lang wie der eines Schwanes. Was für ein seltsames Tier, nicht wahr?“, sagte sie.
Matthias nickte. „In den heißen Wüstenländern reiten sie darauf, sagt man.“ Sie schauten beide Richtung Marktplatz, wo die Fanfare erneut erscholl, gefolgt vom Gekrähe der Sackpfeifen.
„Wie soll das gehen, man fällt doch von seinem Buckel herunter“, wunderte sich Gundel.
Matthias zuckte die Schultern. „Sie werden eine Vorrichtung dafür haben.“ Dann schüttelte er den Kopf und fügte an: „Jeder Fürst heutzutage rühmt sich einer Tierschau, weil er meint, ohne solch fremdländisches Getier sei sein Ansehen nichts wert. Na, ob’s das Kamel übersteht oder ob’s das gleiche Los erleidet wie die kurfürstlichen Löwen vor fünf Jahren, wir werden’s sehen.“
Man sprach noch immer vom überraschenden Tod der pfälzischen Wappentiere, die der vorige Fürst Johann Casimir oben beim Schloss in einem Zwinger gehalten hatte. Heute wusste man, dass es ein böses Omen gewesen war, denn erst war die Löwin verendet, dann der Löwe – und kurz darauf war Pfalzgräfin Elisabeth gestorben, die Gemahlin Johann Casimirs. Schlimme Vorgänge hatte es seinerzeit gegeben, Verrat und Ehebruch. Vielleicht war auch das Kamel ein Zeichen. Zähmung im aufständischen Osten, in Oberbayern, wohin der junge Kurfürst Friedrich bald reisen würde?
„Ich habe es gesehen, Vater!“, rief Michel aufgeregt. „Ein Kamel!“ Sein Sohn kam herbeigerannt, die anderen beiden folgten, auch der Lehrer und Cornelius gesellten sich wieder zu ihnen, während die Menschen an ihnen vorbei zum Marktplatz oder in die nächsten Schenken zogen.
„Alle wohlbehalten beisammen?“ Matthias schmunzelte, da er die zerzausten Jungen sah mit ihren vor Aufregung rotfleckigen Wangen, den verrutschten Mänteln. Sebastian ahmte den absonderlich wogenden Gang des Tieres nach, und alle lachten.
Langsam zogen nun auch sie gen Marktplatz, wo sie sich von Lehrer Baumann verabschiedeten, um zum Haus des Tuchhändlers Belier weiterzugehen.
Man war eben dabei, die ausschwenkbaren Klappläden wieder als Verkaufstische herzurichten. Matthias vermutete, dass sie wegen des Umtriebs geschlossen worden waren, um die Fensteröffnungen zu schützen. Er suchte im Gedächtnis nach dem Namen des jungen Mannes, der die Tuche auslegte.
„Wie heißt er noch mal?“, raunte er Gundel zu, die an seiner Seite auf das Beliersche Haus zuschritt. „Mücke?“
Gundel kicherte wie ein junges Mädchen. „Der Geselle heißt Lücke“, berichtigte sie ihn.
„Hab ihn höchstens zweimal gesehen“, flüsterte Matthias zur Entschuldigung.
„Das ist einmal öfter, als ich ihn sah, teurer Ehemann“, schmunzelte Gundel.
Matthias war ihm begegnet, als er im vergangenen Januar wegen Hedwigs Anstellung im Hause Belier vorgesprochen hatte. Das zweite Mal beim Tauffest Julis, wo der Geselle kurz vorbeigeschaut und ein Geschenk seines Brotherrn gebracht hatte. Nun hob der junge Mann im auffallend violetten Wams den Kopf und lächelte ihnen in Erwartung eines Geschäftes zu. Matthias sah sich kurz zu den Jungen um, die hinter seinem Rücken Unsinn mit den Wecken machten, die man am
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