Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
war, hörte sie erst, als er zurückkehrte. Kleppernd fielen nebenan die Ästchen zu Boden, er kam heran und verkündete, sie seien wirklich fort. Sie hatte den Kasten, dann Juli durch den Spalt gereicht, war schließlich selbst hindurchgeschlüpft. Er war noch einmal hinausgegangen, um weiteres Holz zu holen.
Jetzt saßen sie vor dem kleinen Feuer, und Hedwig hielt ihre kalten Hände darüber.
Juli schlief noch immer.
„Es ist gut, dass es schneit – und auch nicht“, sagte Ryss in das Knistern hinein. „Es deckt zu unsere Spuren. Doch wir machen auch neue.“
Hedwig kämpfte mit den Tränen. „Was sollen wir nur tun?“
„Warum wolltet Ihr mitnehmen das schwere Buch? Hat bestimmt seine zwanzig Pfund. Beschläge aus Metall …“
Er sprach nicht zu Ende, aber in seiner Stimme hörte sie Neugier und keinen Vorwurf.
„Ich weiß es nicht, es schien, als habe es etwas mit meinem Ehemann zu tun. Sie sprachen davon, ihn zu holen, nachdem der andere tot war.“ Der Gedanke an Philipp beendete den Kampf, die Tränen flossen.
„Euer Ehemann ist ein bedeutender Herr?“
„Was?“, schniefte sie.
„Ist er verstrickt in einen Händel? Sollte er bezahlen Lösegeld, um Euch bekommen zurück?“
In das Weinen hinein lachte sie trocken auf, wischte mit dem Ärmel die Nässe von den Wangen. „Lösegeld? Wir sind nicht wohlhabend. Philipp – mein Mann – arbeitet in der kurfürstlichen Kanzlei.“
„Kanzlei?! Was tut er dort?“
„Er ist Kanzleiknecht. Er macht Feuer, verwahrt Papier und Tinte, schließt ab.“
„Er hat die Schlüssel?“
Sie nickte. Und begann anhand der Art, wie er fragte und schaute, etwas zu ahnen. Sie schlug die Hand vor den Mund.
„Das Buch ist ein Amtsbuch, so viel wohl klar ist.“
„Aber was hat Philipp damit zu schaffen? Die Amtsbücher obliegen den Schreibern und Sekretären.“
„Er hat die Schlüssel.“
„Aber er würde nie …“ Sie verstummte. Verstehen sickerte in sie. Sie starrte Ryss an, er starrte sie an.
„Wie seid Ihr geraten in die Fänge der beiden?“
„Ich war auf dem Heimweg. Plötzlich wurde mir etwas Feuchtwarmes aufs Gesicht gepresst, ich verlor …“ Sie konnte nicht weitersprechen.
Ryss sah zu Boden. Schließlich hob er den Kopf und sagte: „Damit er tut, was er nicht darf tun, man presst ihn dazu, Euren Mann. Fehlt Euch etwas? Etwas, das Euch gehört?“
Ruckartig begriff Hedwig. „Mein Ring!“, rief sie erstickt. „Mein Ehering ist fort!“
Ryss zog die Augenbrauen hoch. „Womit geklärt wäre Eure Rolle in dem Stück.“
Langsam begriff Hedwig die Tragweite all dessen. „Aber das bedeutet, man hat ihn gezwungen, etwas Unlauteres zu tun. Und er tat es, weil sie … mich haben.“
„Es sieht genau danach aus.“ Ryss gab Ästchen aufs Feuer und wedelte den aufsteigenden Rauch mit der Hand fort.
Hedwig fasste sich. Entschlossen fragte sie: „Was steht in dem Buch? Was habt Ihr tun müssen?“
„Mit dem Radiermesser etwas löschen. Dann mit Kalklösung glätten die radierten Stellen, damit man es nicht sieht.“
„Und was stand da geschrieben?“
„Ich konnte kaum erkennen die Schrift. Mein Deutsch reicht nicht aus, diese Amtssprache zu erfassen, die wenig hat gemein mit der Straßensprache.“
„Aber wir haben das Buch! Wir können nachschauen!“
„Morgen, wenn es hell ist, ja.“
Hedwig fühlte plötzlich eine entschlossene Stärke. Hier ging es um Philipp und ihre Familie. Wenn er getan hatte, was sie vermuteten, konnte ihn dies sein Amt kosten. „Wir werden morgen nachschauen!“ Im schwachen Feuerschein sah sie, dass er schmunzelte. Sie klang wohl tatsächlich kämpferisch.
„Dafür Ihr braucht Kraft. Ich besorge Essen.“
„Was? Wie wollt Ihr das – oh nein, Ihr werdet nicht hinausgehen, Ihr werdet mich hier nicht allein zurücklassen!“
Ryss war aufgestanden. Mit einem schiefem Grinsen sah er auf sie hinab. „Maid Hedwig. Vielleicht Ihr findet die ein oder andere Assel, doch satt macht die Euch nicht. Käse und Brot taugen besser.“
„Aber was ist, wenn der Bauer Euch gefangen nimmt?“
Ryss bückte sich und griff in den Stiefelschaft. Er zog den kleinen Dolch hervor.
Wieder schlug sie die Hand vor den Mund, unterdrückte einen Aufschrei. „Ihr werdet doch nicht …?“
„Den ich lasse Euch da.“ Er reichte ihr den Dolch mit dem Griff voraus. „Zögert nicht, zu benutzen ihn!“
Der Dolch war ein schönes Ding, klein, handlich und silbern leuchtend. Sie ergriff ihn. Dann stand sie ebenfalls
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