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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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mehr, als dass sie sie sah. „Vorausgesetzt, man hat das, was sie begehren. Hat man es nicht, hat der, der weiß, wo es ist, zu leben ein wenig länger.“
    Hedwig entfuhr ein erschrockener Laut. So viel und so verworren hatte er noch nie geredet, und sie war nicht sicher, ob sie alles verstanden hatte. Aber der Schlusssatz, zusammen mit seiner Geste, sagte deutlich, wie die Sache stand. Ihre Furcht stieg ins Unermessliche.
    „Ihr“, fuhr Ryss fort, „habt angesehen einen Mord. Ich verstehe nicht Eure Rolle in diesem Stück, doch reicht dies, Euch zu trachten nach dem Leben. Dazu kommt, dass ich kann erzählt haben alles, was mir auffiel, und Ihr anzusehen seid als Mitwisserin.“ Ryss hielt inne. In ihrem Unterschlupf war es kalt, düster, trostlos. Hedwig hörte kein Geräusch, ein Felsgrab konnte nicht unheimlicher sein.
    „Sie kommen“, raunte Ryss.
    Fast hätte sie einen Schrei ausgestoßen, aber seine Hand, die sich warnend auf ihren Arm legte, hielt sie davon ab.
    „Das Kind ist still, seid Ihr es auch!“, flüsterte er streng. „Und wenn sie finden uns, denkt daran: Wir haben versteckt das Buch. Zu unserer Sicherheit. Nur wir wissen, wo es ist. Wir haben es
nicht
bei uns!“
    Hedwig versuchte, Ryss’ Gesicht auszumachen, sah jedoch nur seinen Schatten in der Düsternis, spürte, dass sein Körper angespannt war wie der eines Jägers und dass er wie sie den Atem flach hielt. Ihr Herz klopfte in wilder Angst. Sie lauschte. Hörte nichts. Er war still hier drinnen, so still. Auch von jenseits des Spaltes keine Geräusche. Sie hatte den mit den roten Haaren doch fluchen hören! Waren sie vorübergegangen? Hatten sie die Höhlung oberhalb der Felsen womöglich wirklich nicht entdeckt? Hedwig richtete all ihre Hoffnung auf diesen Gedanken. Es wäre möglich. Sie selbst hatte den dunklen Eingang ja ebenfalls nicht bemerkt. Ryss hatte ihn gesehen. Und Ryss war wendig und schlau, aufmerksam und findig. Aber die beiden Männer suchten sie. Und wer sucht, schaut sich um. Späht nach Spuren. Oh bitte, lieber Gott, lass sie uns nicht finden, betete sie still. Sie spürte Ryss’ Wärme neben sich, roch seinen Kräuterduft. Und dann – hörte sie etwas? Nein, es war … eher ein Wahrnehmen, sie merkte, wie etwas an Ryss sich veränderte, nicht seine Haltung, er regte sich nicht. Doch etwas in seiner Ausrichtung wurde anders, sie konnte nicht sagen, was es war, sie merkte nur, dass sie es spüren konnte und gleich ihm eine Aufmerksamkeit empfand, die all ihre Sinne schärfte. Sie
hörte
die Stille. Sie hörte das Trügerische daran. Und sie wusste: Jemand näherte sich leise und
suchte
. Wie ein Kaninchen, das den Fuchs wittert, hockte sie in Erstarrung, obwohl ihr Herz fast die Brust durchschlug. Jeder Zoll ihres Körpers war angespannt, und doch saß sie reglos und verschmolz mit der Felswand hinter sich. Sie dachte nicht. Sie war. Sie war Angst und Anspannung, Vernunft und Leere, sie war Wissen und Gewahrsein. Und sie wusste, dass Ryss das Gleiche war.
    Zeit verlor ihre geradlinige Abfolge.
    Die Dunkelheit verlor ihren Schrecken und sponn sie in ein nachtsamtenes Tuch.
    Und dann spürte sie den kalten Fels in ihrem Rücken und hörte leises Schaben. Oder Schritte? Eine Stimme?
    Ohne hinzuschauen wusste sie, dass Ryss lächelte.
    „Er flucht“, flüsterte er. „Weil er die Höhle leer fand.“
    Sie mussten das Feuer nicht klein halten. Die wenigen Ästchen, die Ryss mitgebracht hatte, brannten ohnehin schlecht. Sie waren feucht, zischten und rauchten.
    Draußen schrie ein Waldkauz. Es dämmerte. Und es schneite.
    Eine geraume Weile hatten sie noch nebenan in der kleineren Höhle gesessen und gewartet. Schließlich war Ryss hinausgegangen, um zu sehen, ob die beiden wirklich fort waren. Sie hatte ihn nicht gehen lassen wollen. Würde er entdeckt, säße sie in dieser Enge, wie sollte sie je wieder hinauskommen, mit Kind und Kasten, ohne ihn? Er hatte gesagt: „Sehen sie mich, sie wissen auch, dass Ihr seid hier. Sind sie wirklich fort, wir holen alles heraus.“ Er hatte sie am Arm gefasst und mit sanfter, eindringlicher Stimme gesagt: „Seid wie zuvor. Wachsam. Gewahr. Dann Ihr nehmt wahr, dass ich es bin ebenso.“
    Klopfenden Herzens hatte sie zugestimmt. Was blieb ihr auch übrig? Sie konnten nicht in alle Ewigkeit in dem Versteck bleiben. Und so hatte sie geharrt, während sie wusste, dass er am Höhleneingang lauerte. Als er die Höhle verließ, merkte sie es jedoch nicht. Dass er draußen gewesen

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