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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Schwämme besorgt. Roth hatte mit Horns Hilfe das junge Weib überwältigt, das stets früher nach Hause ging als ihr Ehemann, was trefflich ins Vorhaben passte. Derweil hatte er selbst die Kanzlei im Auge behalten. Horn brachte ihm den Ring der Holden an den zuvor vereinbarten Treffpunkt, wobei er sich so flink bewegte, dass man meinte, man habe nur einen Schatten wahrgenommen.
    „Horn war’n räudiger Scheißhund“, knurrte Roth. Er rückte seinen Hut mit der Hahnenfeder zurecht, spie erneut in die Flammen.
    Er entgegnete nichts. Sein Vetter hatte wahrscheinlich recht. Horn hätte genauso gut bei einer Messerstecherei im Wirtshaus sein Leben lassen können. Roth kannte jede Menge solcher Gestalten. Zum Beispiel den Friedhofsknecht in Wiesenbach, zu dem er den Toten gebracht und der tatsächlich nicht weiter nachgefragt hatte. Dennoch kam es ihm vor, als wolle Roth sich von seiner Tat lossprechen, denn in diesem rechtfertigenden Tonfall, den er anschlug, seit sie wach waren, sagte er: „Er hätte die Sache gefährdet. Wir nehmen uns lediglich, was uns gehört. Und dafür brauchen wir das Kopialbuch zurück.“ Er tat einen Schritt vom Feuer weg, griff sich schon wieder an den Pumphahn und tat unbekümmert. So, als erfordere die neue Lage nichts weiter als eine winzige Änderung im Fortgang, als sei sie eine anspornende, verlockende Herausforderung. „Mach dir keine Sorgen, ich weiß, was tun.“
    Dieses sich selbst entbürdende Gehabe ging ihm plötzlich auf den Sack. Am liebsten hätte er Roth an seinen Zotteln zur Wand geschleift und seinen Kopf dagegen geschlagen, bis er zugab, dass er sich von diesem Quacksalber hatte übertölpeln lassen. Als er vorletzte Nacht in die Hütte zurückgekehrt war, hatte ihn fast der Schlag getroffen. Sein Vetter rappelte sich eben wieder zusammen, das Mädchen und der Fremdling waren fort. Und mit ihnen das Lehenbuch. Zum Henker auch! Sie mussten es wiederbeschaffen. Sie hatten so viel gewagt – und warum? Weil der alte Kampf, die Ritterschaft zu unterwerfen, sie zu Pfälzer Landsassen zu verbiegen, wieder aufzuflammen drohte. Weil es Pfälzer Kurfürsten seit Friedrich III. wenig kümmerte, dass im Wappen der adligen Verbände der Reichsadler prangte. Denn sie erhoben von ritterschaftlichen Einkünften Schatzungen und Zölle, die deren eigene schmälerten. Nicht nur den ärmeren unter seinen Standesgenossen bedeutete dies unsagbare Verluste, es schadete der gesamten ritterschaftlichen Kasse. Sie beluden die ritterschaftlichen Leibeigenen mit zusätzlichen Fronen, Abgaben und neuen Wildfuhren, sodass
seine
Bauern ihm den Dienst versagten. Und begründeten all dies damit, dass seine Burg und sein Land
in churfürstlicher pfalz ungezweifeltem territorio, jurisdiction, zwing und bann gelegen
. Deswegen forderten der Fürsten Amtmänner beständig die Zollbefreiungsscheine, was die zollfreie Einfuhr von Vorräten beschwerte. Deswegen zogen sie unablässig Schuld aus Naturaleinkünften ein. Was für Drangsale. Zum Henker auch, er hatte das so satt! All das ging schon Jahrzehnte, bereits sein Vater hatte unter der Anmaßung Friedrichs III. zu leiden gehabt, der jene Reichsritter, die kurpfälzische Vasallen waren, unter seine Landeshoheit unterwerfen und ihnen noch dazu seine neue Kirchenordnung des eben eingeführten Calvinismus aufdrängen wollte. Er hatte die Sorgen um die drohenden Übergriffe des Kurfürsten schon als Junge miterlebt, und die Angst um Geld und Existenz begleitete ihn sein Leben lang. Sein Vater war letztlich daran zugrunde gegangen. Eben deshalb saß er hier in dieser erbärmlichen Hütte, um diesen Missständen ein für alle Mal ein Ende zu machen. Auch wenn sich der jetzige Fürst umgänglicher zeigte als sein Großvater Friedrich III. und sein regierender Oheim zuvor und behauptete, das uralte Herkommen nicht infrage zu stellen. Hatte noch besagter Oheim – Pfalzgraf Johann Casimir seines Zeichens – anno 91 auf dem Kraichgauer Rittertag in Wimpfen behauptet, die ritterlichen Ansprüche seien
läppisch und kindisch
und die Reichsfreiheit des Adels nicht mehr als ein
poetisch gedicht
, so verkündete dessen Neffe und jetziger regierender Fürst inzwischen, er wolle
ein Edelmanns Freund sein und bleiben
und
erkenne die Ritterschaft für Freie vom Adel und wolle sie bei ihren wohlhergebrachten Rechten und Gerechtigkeiten verbleiben lassen
. Aber konnte man darauf bauen? Was galt das Wort eines Fürsten? Und der junge Friedrich regierte nicht allein, unter

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