Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
wir haben.«
Harker hob den Kopf. »Was?«
»Bei zwölf der siebzehn Opfer haben wir graue Haare gefunden. Manchmal nur eines, manchmal zwei oder drei. Die Opfer hatten sie jedenfalls in mehreren Fällen unter den Fingernägeln.«
»Als ob sie sich noch gewehrt hätten, bevor die Lähmung einsetzte?«
»Ganz genau.«
»Reichen die Haare nicht, um einen DNS -Test durchzuführen?«
Clay grinste. »Gute Frage. De La Cruz hat mir sämtliche Haare abgenommen, weil er die Tests angeblich selbst veranlassen wollte. Später hat er dann behauptet, ich hätte sie ihm nie gegeben. Das letzte Haar habe ich aber heimlich behalten und dem Captain nie etwas davon gesagt. Mir war klar, dass er es sonst verschwinden lassen würde. Also habe ich es heimlich analysiert.«
»Und?«
»Es stammt nicht von einem Menschen.«
Harker zog erstaunt eine Augenbraue hoch. »Was?«
»Ist kein menschliches Haar. Es stammt von einer Ziege.«
»Von einer Ziege?«
»Richtig.«
»Und?«
»Das war’s. Ziegenhaar eben. Sie sind der Ermittler, nicht ich.«
»Ist das eine Art Modus Operandi des Killers? So etwas wie sein persönlicher Fingerabdruck?«
Clay zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt – Sie sind der Ermittler. Ich war eigentlich der Meinung, die grüne Zunge und die Bissspuren würden als Modus Operandi reichen. Da muss der Killer nicht auch noch absichtlich Ziegenhaare am Tatort hinterlassen, um seine Visitenkarte abzugeben.«
»Stimmt.« Harker kratzte sich am Kinn. »Was also haben die Ziegenhaare zu bedeuten? Tja, wie dem auch sei, ich muss offenbar nach jemandem suchen, der Ziegen hält. Auf jeden Fall ist das ein sehr wertvoller Hinweis.«
Clay lächelte. »Wenn Sie jetzt einen Vampir mit einer Ziegenherde finden, haben Sie den Killer.«
»Hätten Sie eine bessere Idee?«
»Herrgott, Harker, Sie stehen heute wirklich auf dem Schlauch.«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie suchen nicht nach dem Besitzer einer Ziegenherde.«
Clay drehte den Computermonitor zu Harker. Der Captain starrte ein paar Sekunden darauf. Er kannte die Person auf dem Bild, es dauerte aber einen Moment, bis er den Zusammenhang begriff. »Natürlich!«, rief er dann. »Ziegenhaare. Verdammt!«
♦ ACHT
Ulrika Price hatte sich ja schon mit einigen Problemen herumgeschlagen, in den Jahren seit sie die Bibliothek von Santa Mondega leitete. Das hier jedoch war definitiv die schlimmste Katastrophe ihres gesamten Berufslebens. Sie hatte das Buch des Todes verloren, das Rameses Gaius, ihr Herr und Meister, ihr anvertraut hatte. Wann immer er ihr einen Namen nannte, musste sie ihn ins Buch eintragen, und ansonsten hatte sie darauf zu achten, dass es nicht verloren ging. Das waren eigentlich zwei simple Anweisungen. Erst gestern hatte sie drei Namen für Gaius notiert, doch dann war sie kurz unaufmerksam gewesen, und das Buch war verschwunden.
Die ganze Nacht über hatte sie sich hin und her gewälzt und war in Gedanken noch einmal genau durchgegangen, was sie wann getan hatte. Dennoch konnte sie sich einfach nicht vorstellen, was mit dem Buch passiert sein mochte. Wahrscheinlich hatte ihr Praktikant Josh, ein völlig verblödeter Teenager, es aus Versehen in eines der Regale gestellt.
Glücklicherweise war es an diesem Morgen ruhig in der Bibliothek gewesen, sodass Ulrika Zeit hatte, um nach dem Buch zu suchen. Zwei Stunden hatte sie ergebnislos die Regale abgeklappert – das Buch des Todes blieb verschwunden. Nach einem letzten verzweifelten Blick auf den Empfangstresen beschloss Ulrika, Josh anzurufen. Vielleicht bekam sie ja etwas aus ihm heraus. Dies musste wirklich der verzweifelteste Moment ihres Lebens sein, wenn sie auf die Hilfe eines Vollidioten wie Josh angewiesen war. Der Junge konnte sich normalerweise kaum daran erinnern, was er in den letzten drei Minuten gemacht hatte. Es war praktisch hoffnungslos, ihn nach etwas zu fragen, das vierundzwanzig Stunden zurücklag.
Ulrika setzte sich hinter den Tresen, wählte Joshs Nummer und tippte nervös mit ihren langen, knochigen Fingern auf die Tischplatte. Nachdem es bereits ungefähr achtmal geklingelt hatte, nahm Joshs Mutter ab.
»Hallo?«
»Hier ist Ulrika Price von der Bibliothek.«
»Verdammt! Einen Moment, ich hole ihn.«
Joshs Mutter versuchte gar nicht erst, Smalltalk mit Ulrika zu machen. Die beiden hatten einen heftigen Streit gehabt, nachdem Ulrika Josh im Praktikumszeugnis als hirnlosen Pavian bezeichnet hatte. Ulrika hörte ein Fluchen, dann wurde der Hörer fallen
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