Das Buch des Vergessens
Klienten‹ sagen müsste, ist, dass niemand auch nur irgendeine Idee hat, warum EMDR wirken sollte.
Aber wirkt es denn? Darauf sind verschiedene Antworten möglich. Dass EMDR vielen Menschen geholfen hat, steht fest, manchmal, nachdem eine ganze Reihe anderer Therapien keine Erleichterung gebracht hatte. Beispiele erfolgreicher Behandlungen sind im Casusboek EMDR zu finden, auf der Website von EMDR Nederland ( www.emdr.nl ) und in Handbüchern über EMDR . Für den individuellen Klienten gilt: Wenn es mir hilft, brauche ich weiter keine Forschung. Aber Wirkungsstudien vergleichen Gruppen von Klienten, die sich mit übereinstimmenden Beschwerden unterschiedlichen Behandlungen unterziehen (oder auf der Warteliste bleiben), und versuchen dann, das Ausmaß der Verbesserung zu bestimmen. DeBell und Jones verglichen sieben Studien zur Effektivität von EMDR und stellten fest, dass in vier der sieben eine Behandlung mit EMDR bessere Ergebnisse lieferte als Nichtbehandlung, Behandlung ohne Augenbewegungen oder die Klienten von ihren traumatischen Erinnerungen erzählen zu lassen.
Anmerkung
In den restlichen drei Studien erwies sich EMDR als ebenso wirkungsvoll wie Entspannungstherapie oder ›imaging‹. In einer viel größer angelegten Metaanalyse von 61 Studien zur Effektivität der Behandlung von Patienten mit einem posttraumatischen Stresssyndrom zeigte sich, dass Psychotherapie besser wirkte als Medikamente und dass unter den Psychotherapien Verhaltenstherapie und EMDR am effektivsten waren.
Anmerkung
Kürzlich zog eine ausgesprochene Mainstream-Zeitschrift, das British Journal of Psychiatry, die Schlussfolgerung, diese zwei Therapietypen seien für die Behandlung zu empfehlen.
Anmerkung
Zwanzig Jahre nach ihrer Einführung ist die Anwendung von EMDR schon längst nicht mehr auf posttraumatische Stressstörungen beschränkt. Zu den Menschen, die sich laut Casusboek EMDR mit Erfolg einer Behandlung unterzogen haben, gehören ›ein vierjähriges Mädchen, das nicht schlafen gehen will‹, ›ein Borderline-Klient mit schwerer PTSS und Sicherheitsverwahrung‹, eine Frau mit ›chronischen Phantomschmerzen seit 17 Jahren‹, ein Junge ›mit Schluckangst, nachdem seine Großmutter verstorben ist‹, eine Person, die unter einer misslungenen ›Ich-stoppe-mit-Rauchen‹-Behandlung litt, eine ›Frau mit Übergewicht und Beziehungsproblemen‹. An anderer Stelle in der umfangreichen Literatur ist zu lesen, dass EMDR auch wirkte bei Angst vor Sprechen in der Öffentlichkeit, Zwangsstörungen, Panikattacken, Flugangst, Depression, stagnierender Trauer und multipler Persönlichkeit. Laut Bericht sei diesen Anwendungsgebieten gemein, dass sich in der Beschwerde oder Störung eine spezifische konkrete Vorstellung isolieren ließe, in der sich die emotionale Last konzentriere. Durch die Wegnahme dieser Belastung solle die von der Vorstellung verursachte Pathologie verschwinden.
Die Literatur über EMDR betont, es handele sich nicht um eine ›Vergessenstechnik‹. Die Erinnerung werde nicht gelöscht oder eliminiert, sondern nur neu gespeichert, aber dann ohne die negativen Emotionen, die damit verbunden waren. Was wieder ins Gedächtnis zurückkehre, sei eine Erinnerung, die den Klienten nicht mehr in Form von Wiedererleben oder Albträumen bedrängen werde. Das traumatische Ereignis selbst sei nicht vergessen.
Aber auch nicht nicht vergessen.
Die Metaphern, mit denen die Klienten aus dem Casusboek EMDR ihre Erinnerungen nach der Behandlung beschreiben, passen eher zum Vergessen als zum Erinnern: »Das Bild, dass ich sonst immer auf meiner Netzhaut hatte, scheint einfach zu verschwinden« – »eine schmerzhafte Erinnerung ist weggeräumt« – »es gehtimmer ein Stückchen weg von dem unangenehmen Foto.« Ein Therapeut berichtet, dass die Erinnerungen bei seinem Klienten »sozusagen langsam verblassen. Er kann sich an immer weniger aus diesen Situationen erinnern und leidet auch nicht mehr unter Wiedererleben.«
Anmerkung
Verschwinden, Wegräumen und Verblassen gehört zur Sprache des Vergessens. Für die Klienten selbst ist die Erinnerung offensichtlich zumindest teilweise vergessen. In dieser Einschätzung haben sie recht. Im autobiografischen Gedächtnis ist eine Erinnerung nicht nur die nackte Information, die in dieser Erinnerung konserviert ist. Zu dieser Erinnerung gehört auch ihre emotionale Bedeutung, die Assoziationen, die die Erinnerung selbst wieder auslöst, alles, was man, aus Mangel an Besserem, die Farbe
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