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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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durch den Verkauf reich, aber auch zur übergewichtigsten Nation der Welt – und nach dem Ende des Phosphatabbaus sanken die Nauraner zu einer bedürftigen Nation herab; viele der Insulaner hängen heute am Tropf von Hilfsgeldern und Sozialtransfers.

    Es sind die existentiellen Probleme, die Menschen zu Innovationen und Verhaltensvarianten zwingen. Es sind die spezifischen Gene des Menschen, die ihn dabei zu Reaktionen befähigen, die sich von tierischen Reflexen unterscheiden. Ob die Veränderung jedoch dauerhaft gelingt und so zu echtem Wandel wird, das hängt von den Memen ab, den kulturellen Mustern und Verhaltensweisen, die sich in menschlichen Gemeinschaften auf dem Wege der Erfahrung, der Erkenntnis und der Kommunikation bilden. Und sich dann durch Bild, Sprache, Symbol und Tradition von Generation zu Generation fortpflanzen, sich dabei ständig neu- und umformend.
    Wir können ahnen, wie schwierig der soziokulturelle Wandlungsprozess tatsächlich ist. Und wie sehr er dem originären biologischen Evolutionsprozess ähnelt. In der Tat hat die menschliche Geschichte etwas »Darwinistisches«. Aber nicht im Sinn des alten, dummen Missverständnisses vom »Triumph der Stärkeren«. Die Gesetze evolutionären Wandels sind raffinierter (sonst würden auf der Erde nur martialische Übermenschenzivilisationen existieren, Borg-, Drohnen- und Spartanerkulturen). Wie in der Natur die »nichtfitten« (im Sinne von angepasst an die Umwelt) Spezies myriadenfach ausgestorben sind (und dabei evolutionär jenen Arten Platz machten, die eine angemessene Antwort auf die Herausforderungen der Umwelt geben konnten), ist auch der Gesellschaftswandel vom Prinzip »Varianz und Auslese« bestimmt. Um diesem Gedanken zu folgen – und gleichzeitig dem Verständnis des sozialen Wandels auf den Grund zu gehen -, lohnt es sich, sich intensiver mit dem Scheitern menschlicher Kulturen zu beschäftigen. Am besten drastisch: dem Untergang ganzer Zivilisationen.

2 KULTUREN DER ANGST
    Wie Wandel scheitern kann
    Angst ist eine Krankheit. Sie kriecht in die Seele von jedem, der es zulässt.
    Aus Mel Gibsons »Apocalypto«
     
In unseren Hirnen spukt es, nicht in unseren Häusern.
    George M. Beard
     
Solange es uns nicht gelingt, die Angst zu verbannen, werden wir das Chaos im Universum nicht beseitigen können.
    Captain Picard, Kommandant des Raumschiffs Enterprise

Blutopfer
    Wir schreiben das Jahr 1502. In einem kleinen Dschungeldorf auf der Halbinsel Yukatan in Mittelamerika herrscht nächtlicher Friede. Fünfzig Menschen einer sesshaften Jäger-und-Sammler-Großsippe schlafen dicht aneinandergedrängt auf Holzpodesten. Die Jaguare, die durch den Dschungel streifen, halten sich fern, denn sie kennen inzwischen die raffinierten Fallen, mit denen die Menschen ihnen und den fetten Tapiren nachstellen. Die Dschungelbewohner beherrschen die Jagd, aber auch verschiedene Agrartechniken, auf Brandrodungslichtungen, den »milpas«, bauen sie Mais an.
    Im Morgengrauen schleichen sich martialische Gestalten an, Krieger mit Pflöcken in den Nasenscheidewänden und Ohren, bemalt mit blutroter Farbe und blauem Schlamm. Kurz darauf folgt der Angriff. Frauen und Kinder werden mit Knüppeln erschlagen oder mit Schlingen erwürgt, vergewaltigt, in den Dschungel gejagt. Das Dorf wird niedergebrannt, die jungen
Männer an lange Baumstämme gefesselt und verschleppt – nach Tikal, in die große Stadt der Sonne.
    Die gefangenen Männer geraten in einen apokalyptischen Alptraum. Am Rande der großen Stadt Tikal liegen sterbende Menschen übersät mit Geschwüren auf den Straßen. Die Brunnen sind verdorrt. Adlige tanzen bemalt und in bunte Vogelkostüme gekleidet im Drogenrausch. Die Märkte sind überfüllt mit Devotionalien: Tinkturen, Götterstatuen, magische Symbole, Augen aus Stein – und Menschenaugen. Auf der alles überragenden Pyramide werden die nackten und blau angemalten Gefangenen dem Hohepriester, dem »h’ men«, vorgeführt, der vor einem Meer von Menschen sein Hochamt zelebriert. Sein Singsang ertönt:
    Dies ist eine beklagenswerte Zeit für uns.
    Das Land dürstet.
    Eine große Plage verdirbt unsere Ernte.
    Die Geißel der Krankheit quält uns nach Belieben.
    Es heißt, dieser Kriegszug hat uns geschwächt.
    Dass wir ausgebrannt sind!
    Es heißt, wir verrotten!
    Großes Volk unter dem Banner der Sonne!
    Ich sage, wir sind stark!
    Wir sind ein auserwähltes Volk!
    Auserwählt als Herren über die Zeit!
    Mächtiger Kukulkan, dessen Zorn die

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