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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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drei Jahren hatten 77 Prozent der Patienten ihre neuen Verhaltensweisen beibehalten, wobei die verschiedenen Strategien eine geringere Rolle spielten als die Ernährung. Millionen Dollar für Stents und Bypässe wurden gespart, Todesangst und Leiden vermieden.
    Das klassische behavioristische Menschenbild, das derzeit in der Kindererziehung eine Renaissance zu erleben scheint, sieht menschliches Verhalten als logisches Resultat von Anreiz und Bestrafung. Aber Strafe erzeugt Trotz und Rebellion. Anreiz erzeugt Misstrauen. Und die Drohung mit dem Tod führt eher zur Regression als zur Anstrengung. »Negative Informationen über Gesundheit zu geben, ist meistens der falsche Weg«, sagt Ornish. »Leuten, die einsam, depressiv und gestresst sind, zu sagen, dass sie sterben werden, ist kontraproduktiv. Wer möchte schon länger leben, wenn er sich in ständigem körperlichem und emotionalem Schmerz befindet? Er will über den nächsten Tag kommen, und dazu greift er zu fetten Speisen oder zur Zigarette.« 7

    Ornish erkannte, dass hinter den koronaren Biographien, den inneren Fettablagerungen seiner Patienten, eine Depression steckte, die sich im Lauf eines langen Lebens in ein kompensatorisches Ess- und Bewegungsverhalten verwandelt hatte. Er behandelte daher nicht die Oberfläche, sondern das dahinterliegende Bewusstsein.
    Anstatt mit Druck zu arbeiten, infizierte Ornish seine Patienten mit Lebenslust – und überzeugte sie durch Erfahrung. Erotik, Essen, die Wahrnehmung des eigenen Körpers, selbst einfache Spaziergänge erhielten eine neue Erlebnisqualität. Die Patienten entdeckten verschüttete sinnliche Genüsse und begannen sich plötzlich für neue Erfahrungen zu interessieren. Viele beschäftigten sich nun mit den »Anschlussstellen«, die sie in einer bestimmten Phase ihrer seelisch-geistigen Entwicklung verpasst hatten.

Das »Reframing« der Erfahrung
    Machen wir ein Experiment: Wir füllen Zucker in eine Dose und versehen diese mit dem Schild »Zyankali«. Dann versuchen wir, den Zucker in unseren Kaffee zu tun. Natürlich wissen wir, dass normaler Zucker in der Dose ist. Trotzdem schmeckt der Kaffee anders.
    Paul Rozin und Carol Nemeroff, zwei amerikanische Verhaltenspsychologen, haben verschiedene Experimente dieser Art durchgeführt. Sie legten Studenten Süßigkeiten vor, die wie Hundescheiße aussahen. Oder »labelten« Limonadeflaschen mit Radioaktivzeichen. Und sagten den Probanden einmal, dass garantiert keine Radioaktivität darin sei. Ein andermal sagten sie gar nichts. Ein drittes Mal führten sie einen Dialog, dass Radioaktivität eigentlich völlig harmlos sei. 8
    Wenn wir unsicher sind, wie wir ein Phänomen beurteilen sollen, nehmen wir die letzte mit dem Thema assoziierte Information und legen sie als Maßstab für alle weiteren Erkenntnisse und
Erfahrungen an. Dabei wird meist die Information vorgezogen, die die stärksten und eindrucksvollsten Bilder hinterlässt. Dies ist der sogenannte Ankereffekt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Framing-Theorie. George Lakoff hat in seinem Buch »Don’t Think of an Elephant« beschrieben, wie Frames, also »kognitive Rahmen«, die Art und Weise formen, wie wir die Welt sehen. 9 Im Kontext von Frames erweisen sich viele Dinge anders, als sie scheinen. Eine Bypass-Operation zum Beispiel ist sicherlich ein schrecklicher Eingriff. Aber im Licht der amerikanischen Statuskultur betrachtet, bedeutet sie auch noch etwas anderes, eine Art Ritterschlag. Wer einen Bypass »vorweisen kann«, vermittelt die Botschaft: Ich bin wichtig. Ich bin gestresst, weil ich viel mehr gearbeitet habe als andere! Ich bin ein harter Kerl, und deshalb hat man stolze 100 000 Dollar in mein Herz investiert!
    Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass es erst gelingen kann, das koronare Leiden auf breiter Front zu verringern, wenn neue Frames entstehen. Wenn andere, stärkere Statuskriterien entstehen als die an den Hochaltären des Geldes und der Karriere. Wenn die Anker sich wandeln, die Kriterien, mit denen wir die Welt sehen, wird es oftmals einfacher, persönlichen Wandel zu vollziehen.

Wandel durch Freunde: die Soziale-Ansteckungs-Theorie
    Was wäre also die beste Methode, um »unser Leben zu ändern«? Was tun, wenn wir glücklicher, gesünder, klüger, aktiver, intelligenter, gelassener, souveräner oder einfach nur dünner werden wollen?
    Folgt man den Erkenntnissen des Sozialmediziners Nicholas Christakis von der Harvard Medical School, müssten wir lediglich unseren

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