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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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Aufgabenprofile wichtig, die uns weder unter- noch überfordern, also eine Bewältigung ohne allzu großen Stress zulassen.
Und genügend Anerkennung (zum Beispiel durch Lohn, aber auch soziale Zuneigung) bieten.
    Im Coping-Programm des Körpers findet sich der Urgrund dafür, warum wir uns wandeln, anstatt wie Seegurken vor uns hinzutreiben (wahrscheinlich ist das eine Beleidigung der Seegurken). Coping macht Menschen süchtig nach Erfolg, nach Angstbewältigung und Anerkennung, nach Überwindung von Grenzen. Schon im quietschenden Glück der Babys und Kleinkinder, wenn sie eine neue Fähigkeit »freigeschaltet« haben, zeigt sich das. Coping ist der Schlüssel für den Erfindergeist, den Mut, die Sehnsucht nach Abenteuern, die Neugier nicht nur der Kindheit (eine Eigenschaft, die man durch schlechte Pädagogik und stupide Schulen, wie wir alle wissen, leicht zerstören kann).
    Wir sind das Produkt all unserer Niederlagen, aber eben auch das Konstrukt unserer Erfolge. Unser Selbstgefühl hängt existentiell davon ab, wie oft wir uns mit Herzklopfen etwas getraut haben. »Wenn eine Belastung sich als kontrollierbar erweist, kehrt sich plötzlich alles um«, so der Hirnforscher Gerald Hüther. »Aus Bedrohung wird Herausforderung, aus Angst wird Zuversicht, aus Ohnmacht wird Wille.« 2 Coping kann uns zu Höchstleistungen antreiben, wenn wir diesen Mechanismus im Laufe unseres Lebens trainieren und »hochtunen« – dann entsteht, was Psychologen »Selbstwirksamkeit« nennen. Menschen hingegen nachhaltig unglücklich zu machen, geht noch einfacher: Man muss ihnen nur jede Möglichkeit nehmen, etwas eigenständig zu bewirken.

Das neuronale Lernen
    Während die Erregungs- und Belohnungskaskade aktiv ist, läuft in unserem Hirn ein interessanter Prozess der Reprogrammierung ab. Die hochdosierten Substanzen, die unser Hirn im Coping-Fall durchfluten, wirken gleichzeitig als Bahnungen in unseren neuronalen Strukturen. Sie überbrücken die Spalten zwischen
den Dendriten, jenen Schaltstellen, die zwischen den Nervenzellen Kontakte herstellen. Sie verlegen »Leitungen«, wo vorher nur undifferenziertes neuronales Gewebe vorherrschte. Auf diese Weise wird unser Hirn durch Erfolg regelrecht umgebaut. Schon Freud erkannte diesen Effekt, obwohl zu seiner Zeit die Hirnforschung noch in den Kinderschuhen steckte: »In ihrem Übergang von einem Neuron zum anderen hat die Erregung einen bestimmten Widerstand zu überwinden … die Erregung bevorzugt in der Folge den gebahnten Weg vor einem nicht gebahnten.« 3
    Hier haben wir den Schlüssel zu den Fundamenten der menschlichen Entwicklung. Wenn Kinder an der aktiven Entdeckung und Bewältigung ihrer Umwelt gehindert werden, bleiben ihre Hirne unreif. Bei Lottogewinnern übersteigt die Prozentzahl der Depressiven den Durchschnitt der Bevölkerung erheblich. Trifft das Geldglück eher die Unglücklichen? Nein: Weil Lottogewinner den Erfolg nicht durch Leistung und Anstrengung erarbeitet haben, geraten sie oft in eine Selbstabwertungsspirale. Es »nicht verdient zu haben« ist so ziemlich das Gegenteil von Coping.
    Die neuronalen Effekte des Coping bieten auch den Schlüssel zu Suchtproblemen und diversen inneren Schweinehunden, mit denen wir im Laufe unseres Lebens Bekanntschaft machen. Jeder, der nachts durch geheimnisvolle neuronale Verschaltungen an den Kühlschrank getrieben wird, weiß dies. Fette und Zucker wirken als Antistressoren. Machen wir zu wenig schöpferische, vitale, erotische Erfahrungen (können, wollen), wird das Essen gern zum Ersatz. Und schon haben wir ein Gewichtsproblem (das Ganze funktioniert auch in die andere Richtung. Mit Nichtessen können wir Aufmerksamkeit erzwingen; das Programm Magersucht).
    Die Kehrseite der Bewältigungseuphorie besteht im Wiederholungszwang. Wenn wir in der Kindheit das erste Skirennen mit einem Trick gewannen (wir haben den Konkurrenten mit Schokolade bestochen), dann werden wir diesen Trick auf die eine oder andere Weise wiederholen – durch subtile Bestechungstechniken, die wir selbst vielleicht nicht einmal bemerken. Haben
wir mit einer ausgefallenen Methode das erste Mädchen zum Küssen (oder mehr) bewegt, neigen wir dazu, dieselben Strategien immer wieder einzusetzen – auch dann, wenn das schnurstracks ins Liebesunglück führt.
    Mit fortschreitendem Alter neigen wir häufiger dazu, den Weg abzukürzen. Schokolade macht zumindest kleine Dosen endorphinähnlicher Substanzen verfügbar. Alkohol kann eine kurzzeitige Euphorie

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