Das Buch des Wandels
angeblich so haltlose Kultur neue Rahmenbedingungen des Wandels. Unsere Kinder, die ein Jahr ins Ausland reisen, kommen verwandelt zurück. Wenn wir den Mut haben, eine Reise um die Welt anzutreten (nicht nur als Touristen), verändert das unseren Horizont. Wer seine soziale Umgebung, seine Berufsgruppe oder sein Milieu verändert, verändert damit auch sich selbst.
Das Paradox des Optimismus
Fast vermissen wir ein wenig die hektisch auf Bühnen herumbrüllenden Motivationsgurus, die vor nicht allzu langer Zeit die Hallen füllten. Wie war das doch gleich? Alle Probleme sind die Resultate von inneren Programmen. Demzufolge hätten die Gurus mehr als recht gehabt. Lerne, deinen inneren Adler freizulassen! Du kannst das Unmögliche! TSCHAKA!
Wie wunderbar! Vom »Huhn« zum »Adler« in nur zehn Schnellkursen à 500 Euro! Sind wir nicht tatsächlich alle Opfer unseres fundamentalen Mangels an Selbstwertgefühl, unseres mickrigen Egos? »Positive Thinking« ist eigentlich alles, was wir brauchen, und schon werden neue Erfahrungen von Ruhm, Erfolg, erotischer Karriere über uns kommen! Eine Menge Karrieren haben sich um diese einfache und durchaus plausible Idee herum gegründet. Ganze Sekten sind auf ihrer Grundlage entstanden, etwa Scientology, wo es darum geht, durch ein deprogrammierendes Kurssystem zum »Obersten Thetan«, zum echten Weltchef zu werden. Für 20 000 Euro Kursgebühr kann man dann so lachen wie Tom Cruise.
Warum ist es um die Motivationsbewegung so still geworden? Die Coping-Kaskade, zusammen mit der Framing- und der Ankerungstheorie, kann uns einige Hinweise bieten. Das Selbstwertgefühl ist in der Tat eine entscheidende Kategorie für den persönlichen Wandel. Aber der Mangel daran lässt sich nicht durch reine Geisteskraft beseitigen. Sondern eben nur durch Coping selbst.
Man muss andere Erfahrungen machen, um zu jemand anderem zu werden. Ein lediglich simuliertes positives Denken ist sogar schädlich, weil es Coping-Erfahrungen eher sabotiert als ermöglicht.
Der Verhaltensforscher Thomas Langens von der Universität Wuppertal experimentierte mit seinen Studenten und deren positiven Zielvorstellungen. Das Ergebnis schien auf den ersten Blick die klassischen Idee des Positive Thinking zu untermauern: Motivierte, selbstbewusste Studenten waren in deutlich abgrenzbaren Situationen, bei Prüfungen zum Beispiel, eindeutig leistungsfähiger. Aber Langens fand auch einen strategischen Negativeffekt bei zu optimistischer Denkweise. Da man bereits als geschafft vorwegnehme, was erst noch durch Arbeit erreicht werden müsse, könne die Motivation gelähmt werden. Die Probanden mit hoher Kompetenz und sehr gutem Selbstwertgefühl riskierten auf Dauer ihre Fitness, weil sie ihre Erfolge als gegeben voraussetzten und das Coping einfach »vorausbuchten«. Bei bestandener Prüfung stellte sich kein Euphoriegefühl mehr ein, die Belohnung blieb aus. Und damit ein selbstverstärkender Lerneffekt. 11 In dieselbe Richtung weist die Erkenntnis, dass Studenten, die eine sehr hohe Selbsteinschätzung besitzen, weniger Bewerbungen schreiben, weniger über Berufsbilder und Firmendetails recherchieren und sich weniger Mühe bei Bewerbungsgesprächen geben als ihre eher selbstkritischen Altersgenossen. Sie überinterpretieren ihre Chancen und bekommen prompt die schlechteren Jobs.
Optimismus ist im Grunde eine passive Haltung. Man vertraut darauf, dass alles schon irgendwie von alleine gut wird. Damit kann man schwer Schiffbruch erleiden. Bearbeitet man pessimistisch denkende Studenten vor einer Prüfung mit positiver Motivation, schneiden sie nicht besser, sondern schlechter ab. Deutlich besser werden sie, wenn sie ihre pessimistischen Erwartungen vorher im Geist durchspielen in Form eines Worst-case-Szenarios, von dem man sich danach leichter innerlich distanzieren kann: »Ich weiß, wie es ist, wenn es schiefgeht – das schreckt mich jetzt nicht mehr so sehr!« 12
Aus all dem folgt, dass positives Denken wohldosiert angewendet werden muss: Disziplinierte, leistungsorientierte Menschen, die eine intrinsische Motivation in Richtung auf ein bestimmtes Ziel besitzen, sind mit konsequent optimistischem Denken gut beraten. Ein fleißig trainierender Sportler zum Beispiel, der sich den Sieg suggestiv vorstellt, kann dadurch seine Chancen verbessern. Er gewinnt den Wettbewerb tatsächlich »im Kopf«.
Begabte Menschen, die Schwierigkeiten mit kontinuierlicher Leistung und zielgerichteter Veränderung haben, sind mit
Weitere Kostenlose Bücher