Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
Vom Netzwerk:
Freundeskreis ändern! Wir müssten uns mit glücklicheren, gesünderen, klügeren, aktiveren, intelligenteren, gelasseneren, souveräneren, sportlicheren Menschen umgeben. Und im Grunde wissen wir alle längst, dass das stimmt.

    Christakis, der sowohl die sozialen Hintergründen von Herzerkrankungen erforscht als auch in der neuen Glücksforschung arbeitet, fand heraus, dass Lebenszufriedenheit, aber auch die Anfälligkeit für Krankheiten wie etwa Fettleibigkeit mit einer spezifischen Struktur sozialer Verankerungen verbunden ist. Jeder Zustand bildet dabei eine andere Sozialmatrix.
    Die Matrix für »Lebensglück« sieht nach den Erkenntnissen von Christakis so aus: Nahe Freunde spielen eine erhebliche Rolle, aber auch Nachbarn, mit denen man Tür an Tür wohnt. Für das persönliche Lebensglück sind Geschwister hingegen wenig entscheidend. Sogar der Ehepartner bestimmt nur wenig unser Glücksempfinden! Glück scheint eher eine »Freundesangelegenheit« zu sein, bei Männern wie bei Frauen.

    Abb. 8: Sozialer Einfluss für Glück, nach Christakis/Fowler, New England Journal of Medicine, Januar 2009
    Auch im Falle von Übergewicht spielen Ehepartner und Geschwister keine allzu große Rolle (wenngleich eine deutlich größere als beim Thema Lebensglück). Wer Übergewicht hat, hat jedoch immer einen sehr guten, intimen Freund, der ebenfalls übergewichtig
ist, und meistens noch einen weiter entfernten, ebenfalls schweren Freund (einen »Fernanker«). Es bildet sich offenbar eine »peer chain«, eine Beziehungskette, die das Übergewicht wenn nicht »produziert«, so doch stützt.

    Abb. 9: Sozialer Einfluss bei Fettleibigkeit, nach Christakis/Fowler
    Diese Ergebnisse bestätigen viele Vermutungen der neuen Sozialforschung. In unserer Kultur werden verwandtschaftliche Bindungen offenbar zunehmend von selbstgewählten Freundschaftsnetzen überlagert. Ehepartner und Geschwister werden gewissermaßen »emotional neutralisiert« – sie sind zwar da und vorhanden, werden aber kaum als Bezugsinstanzen wahrgenommen (sie sind »selbstverständlich«). Als Orientierungshilfen dienen eher der Freund oder die beste Freundin, Cliquen, modische Zeichensysteme oder auch Stars, die man aus der Ferne bewundert.
    Auf diese Weise entsteht eine neue Auswahl sozialer Verhaltensweisen. Fettleibigkeit entwickelt sich nicht von heute auf morgen, sie ist Ergebnis eines langen geistig-körperlichen Prozesses, in
dem es auch um »Tröstung« und »Komfort« geht. Ehepartner werden eher versuchen, uns zum Halten unseres Gewichts zu veranlassen. Wenn wir jedoch sehen, wie unsere besten Freunde zunehmen, ändert das unsere Vorstellung (unseren Frame) dessen, was akzeptables Körpergewicht ist. Mit meinem besten Freund fühle ich mich wohl, er setzt mich (anders als der Lebenspartner) nicht sozial unter Druck. Und das »ankert« unser Dicksein psychologisch als Wohlsein. 10
    Im Modell der sozialen Ansteckung finden wir viele Alltagserfahrungen bestätigt. Wenn die Kinder sich mit den falschen Freunden treffen, sind wir völlig zu Recht besorgt – die Übertragung negativer Verhaltensweisen wird tatsächlich enorm beschleunigt (positiver gottlob auch). Werden Unternehmen von negativem Denken infiziert, ist es für das Management fast unmöglich, durch Motivation entgegenzuwirken. Besonders das Angestelltendasein mit seinen verdichteten, durch Statuskonkurrenz aufgeheizten Netzwerken führt zu regelrechten Epidemien, in denen sich die Mitarbeiter mit Opferdenken, Negativität und Mobbing unentwegt aufs Neue anstecken.
    Das ist das eigentlich Besondere an modernen Gesellschaften: Die Verhaltensnetzwerke werden ständig variabler. Das ist, entgegen der allgemeinen Zerfallsklage, eine gute Botschaft. In Flexibilitätskulturen fällt persönlicher Wandel leichter, weil man seine sozialen Beziehungen leichter neu arrangieren kann. Wer ernsthaft mit dem Rauchen aufhört, wird auch seine rauchenden Freunde hinter sich lassen müssen. Wer Kinder bekommt, benötigt über kurz oder lang ein anderes Lebensnetzwerk als das der partyverliebten Singles. Wer seine negativen Welthaltungen, seine Depressionen und Opfergefühle überwinden will, wird nicht daran vorbeikommen, zunächst seine »Co-Abhängigen« zu verlassen, jene Ankerpersonen in seinem Umfeld, die sich mit ihm in einer Negativsymbiose befinden.
    Während in traditionalen Gesellschaften diejenigen, die noch etwas wollen, kaum eine andere Möglichkeit hatten, als wegzugehen,
bietet unsere

Weitere Kostenlose Bücher