Das Buch des Wandels
Positive Thinking eher schlecht bedient. Ihr Hirn wird von einer positiven Selbstwahrnehmung eher berauscht – und nutzt die grandiose Fantasie als Legitimation, sich weniger anzustrengen.
Menschen mit starker Angst vor Misserfolgen und mangelndem Selbstwertgefühl lassen sich zwar kurzfristig mit heroischen Fantasien aufputschen. Aber wenn sich dann keine realen Erfolge einstellen, verstärkt das die pessimistische Grundhaltung und die Erfolgsangst nur noch mehr.
So lassen sich die vielen Pleiten in der Motivationsbranche erklären. Die Motivationstrainer hatten vor allem Menschen in ihren Kursen versammelt, die ein Problem hatten. Doch gerade bei dieser Klientel funktioniert das »Tschaka« am allerwenigsten. Diejenigen, bei denen es gewirkt hätte, haben einen Motivationstrainer eigentlich gar nicht nötig. Und Massenveranstaltungen sind zwar wunderbare Coping-Simulatoren, aber das Endorphin verrauscht relativ wirkungslos …
Martin Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie, bringt das alles so auf den Punkt:
»Wir haben herausgefunden, dass rein optimistische Statements, die man sich selbst gegenüber wiederholt, weder die Stimmungslage noch die Leistungsfähigkeit erhöhen. Die entscheidende Frage ist, wie man mit negativen Erfahrungen und Effekten umgeht . « 13
Fatale Vergleiche
Dan Ariely zeigt in seinem Buch »Denken hilft zwar, nützt aber nichts«, wie neue Ankerungsprozesse in eine falsche, ja fatale Richtung führen können. Im Jahre 1976 verdiente ein Manager in den USA im Durchschnitt 36-mal mehr als ein Arbeiter. Im Jahre 1993 war es 131-mal, im Jahre 2007, kurz vor dem Finanzcrash, an die 500-mal so viel. Die Jahresgehälter in den oberen Etagen schossen dermaßen bizarr durch die Decke, dass die »irrationale Übertreibung« in den Abgrund führen musste, den wir dann 2008/09 erlebten. Die Firmen mussten schon allein deshalb ihre Profiterwartungen immer weiter nach oben schrauben, um die astronomischen Gehälter, Abfindungen und Boni ihrer Manager bezahlen zu können.
Aber warum konnten die Manager selbst, die Firmen, Unternehmenskulturen, Gewerkschaften, Shareholder das nicht verhindern? Gab es keine institutionelle Kontrolle? Warum versagten die Selbststeuerungsmechanismen der Wirtschaft, stimmten die Vertreter der Gewerkschaften regelmäßig für die völlig übertriebenen Gehälter?
Ariely zeigt, auf welche Weise Menschen Status immer im Kontext von Vergleichssystemen beurteilen. Zum Beispiel empfindet ein Mann sein Einkommen als »gut« oder »gerecht«, wenn er mit einer Frau verheiratet ist, deren Schwester mit einem Mann verheiratet ist, der deutlich weniger verdient als er selbst. Verdient der Schwager mehr, erhöht sich der Ehrgeiz, aber auch die Unzufriedenheit enorm.
Für Managergehälter galt lange Zeit ein moderater Rahmen als verbindlich, der zwar die Komplexität der Leistung anerkannte, diese aber in Relation zum langfristigen, sicher erzielbaren Gewinn und zur Größe des Unternehmens setzte. Der befreundete Kollege diente als Orientierung oder ein vergleichbarer Posten in einem andern Konzern. Verträge wurden oft diskret und per Handschlag abgeschlossen. 14
In den späten neunziger Jahren wurde in den USA durch ein Börsengesetz zwingend vorgeschrieben, die Managergehälter zu veröffentlichen. Gleichzeitig erlebten boulevardeske Wirtschaftsmedien, die auf Service und Rankings setzten, einen Boom. Die Folge waren lange Listen von Managereinkommen unter der Schlagzeile: »Wer verdient am meisten? – Die reichsten und mächtigsten Manager der Welt!«
Damit erhielt das System der Managergehälter einen neuen Anker. Bei Gehaltsverhandlungen schalteten sich professionelle Agenten und Headhunter ein, die Tantiemen prozentual zur Höhe des Abschlusses kassierten. Sie nutzten Verhandlungstechniken, wie sie aus Pokerspielen bekannt sind: Bluffen, Übertreiben, Hochspielen. Bald wurden einfach immer astronomischere Forderungen erhoben, und man einigte sich dann auf einen »Kompromiss« irgendwo in der Mitte (was natürlich immer noch bizarr hoch war). Eine Rückkoppelungseskalation entstand. Kein guter Manager konnte jetzt ein moderates Gehalt akzeptieren, ohne seine Reputation zu riskieren. Sein »geringes« Gehalt wäre sofort von den Medien als Zeichen der Schwäche gedeutet worden. Alle an diesem Spiel beteiligten mussten mitspielen, denn gute Führungskräfte sind knapp und begehrt.
Von solchen Fehlankerungen sind viele unserer Wahrnehmungen betroffen. Das
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