Das Buch Gabriel: Roman
was ich anziehe?
Als die Männer zurückkommen, stelle ich Blickkontakt mit Didier her. »Gibt es einen Dresscode?«, frage ich. »Soll ich die Augen nach irgendwas offenhalten? Abendkleidung? Oder kommt man kostümiert?«
Gerahmt von dem Bogengewölbe bleiben beide abrupt stehen und starren mich einen Augenblick lang an. »Was?« Didier schielt an seiner Nase entlang. »Dresscode für wen – meinst du, für die Gäste?«
»Nein, für mich – beim Bankett. Soll ich mir selbst ein Kostüm aussuchen?«
Plötzlich bekommt die Atmosphäre etwas Bedrückendes. Didier kommt noch einen Schritt auf mich zu, seine Lippen laden langsam nach, wie eine Pistole. »Mein Freund – das ist eine absolut geschlossene Veranstaltung.«
Schweigend stehe ich da und sehe von einem zum anderen.
»Vielleicht«, sagt er schulterzuckend, »kannst du beim Aufbau irgendwas tun, wenn du willst – keine Ahnung, vielleicht in einem der Cateringmobile.«
»Hm. Ich dachte eigentlich schon, dass ich, nachdem ich …«
»Nein, hör zu, damit da keine Missverständnisse aufkommen: Unser Geschäft ist abgeschlossen. Ha.«
20
Am nächsten Morgen aufzustehen ist mir nicht möglich. Ich liege mit dem Anklang einer düsteren Vorahnung im Bett, räuspere und kratze mich, nur um mir zu beweisen, dass ich noch existiere. Es muss Nachmittag sein, als das Telefon klingelt, kurze, schrillende Adrenalinschübe. Hinter Smuts’ Stimme höre ich das Geklapper und Geschrei einer Jugendstrafanstalt; ein Stöhnen hier, ein Jaulen dort, und jeder Laut hallt zwischen eisernen Oberflächen. Er braucht einen Augenblick und ein paar Worte auf Japanisch, bis er alleine ist. Mit dem Knie schiebe ich das Tablett mit kaltem Frühstück zur Seite.
»Gabriel«, sagt er endlich, »habt ihr Fotzen mich vergessen oder was?«
»Hä?« Ich versteife mich. »Natürlich nicht, wieso denn?«
»Ich weiß, die Wege des Herrn sind unergründlich, aber sag mir wenigstens, was zur Hölle da abgeht. Ich lebe in Gefängnisjahren, und die vergehen mit der Geschwindigkeit der letzten Schulstunde. Ich warte immer noch darauf, dass Didi oder Satou mich hier rausholen.«
»Aber – hattest du denn keine Besprechung mit dem Basken?«
»Einen Scheiß hatte ich. Seit diesem Anruf auf der Polizeiwache hatte ich überhaupt nichts mehr. Meine einzige Vermutung ist, dass er im Peninsula sitzt und an sich rumspielt. Wahrscheinlich sogar in deinem Zimmer, ha.«
»Äh, nein – er ist hier. Sein Kollege hat mir gesagt, dass ihr Kontakt und einen Plan habt. In Berlin läuft alles unter Volldampf, sozusagen in Hundejahren.«
»Was?« Das Tivolihirn lädt eine Kugel. »Und hat er gesagt, was für ein Plan das sein soll? Falls er irgendwas mit mir zu tun haben sollte, wäre es verdammt schön, davon zu hören, bevor ich am Montag wegen Mord verknackt werde.«
Mich durchrieselt ein Frösteln. »Smuts – die haben mir gesagt, dass alles unter Kontrolle ist. Sie organisieren hier schon das Bankett.«
»Tja, wenigstens etwas – immerhin ist er von unserem Ort noch angefixt. Fuck sei Dank! Hat er mich im Zusammenhang mit dem Menü erwähnt? Das einzig Gute an meiner Situation hier ist nämlich: Ich habe Zeit gehabt, um mir ein paar echt feiste Menüs auszudenken.«
»Hm, na ja – über so was wird er sich kaum mit mir unterhalten.« Das eisige Flimmern breitet sich immer weiter in mir aus, das Zimmer verschwimmt mir vor den Augen – nicht wegen dem, was er schon gesagt hat, sondern wegen dem, was noch kommen wird. Ein langsames Dämmern, das Heraufziehen einer schrecklichen Erkenntnis. »Bislang habe ich nur gehört, dass sie eventuell einen kleinen Tiger besorgen können.«
»Was? Einen Tiger? Schlechter Zug, überrascht mich – Katzen sind Kacke.«
»Ich glaube, er hat gesagt, dass es nicht allzu Haute Cuisine werden soll, sondern eher symbolisch. Einfache, schmackhafte Zutaten.«
»Putain, wenn es auf eine Katze hinausläuft, könnte es sein, dass wir nur mit dem Schwanz arbeiten können. Es sei denn, es ist ein Junges, ein ausschließlich mit Milch ernährtes Tier – ist es ein Junges? Wenn es ein Junges ist, sag ihm, er soll sofort anfangen, ihm nur noch Milch zu geben, ich schätze, das braucht mindestens acht bis zehn Wochen. Je schneller ich damit zu tun kriege, desto besser – sag ihm, er soll mit dem Menü noch warten. An was für einen Termin haben sie denn gedacht?«
»Hm – ziemlich bald, glaube ich.« Ich weiche zurück, mir ist inwendig übel.
»Okay, hör zu,
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