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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Putainel – wenn sie so scharf sind auf den Ort und sogar schon übers Menü nachdenken, dann wäre es gewieft, den Deal jetzt unter Dach und Fach zu bringen. Am besten heute, wenn’s geht, hier drüben wird’s ungemütlich. Aber denk dran, mit wem du es zu tun hast, also geh cool und abgebrüht vor. Und was auch immer du tust, verschaff ihnen um scheiß Himmels Willen noch nicht zu viel Zugang zum Flughafen! Nicht, bis sich hier drüben nachweislich was getan hat! Klar? Das ist der einzige Trumpf, den wir in dieser Welt noch haben, also vermassele es nicht. Wir haben die Macht – aber nur, solange wir die Kontrolle über die Schlüssel haben .«
    Whoosh. Und mit ernsthafter, nachweislich unbestreitbarer, ja sogar perfekter Rationalität leitet Smuts damit ein, was das Endspiel aller Endspiele sein muss – das letzte Finale von vielen, der Endpunkt einer Sphinx und all derer, die glücklos genug waren, ihren vom Pech verfolgten Pfad zu kreuzen. Denn ich habe – wie alle kleinen Leute, die den Master umwerben – den Schlüssel zur Rettung gegen einen Flecken Sonnenlicht auf Leinen, ein Daunenkissen und ein Frühstück im Bett eingetauscht.
    Daraus kann für mich nur eines folgen: Geh den Weg alles Irdischen. Umarme den bleichen Priester der Verstummten, gib den Geist auf, setz über den Styx, gib den Löffel ab, bezahle die Schuld, die wir alle bezahlen müssen, stich in See – verpiss dich einfach und verrecke.
    In der darauf folgenden Nacht brauche ich sämtliche verbliebenen Rauschmittel auf, leere die Mini-Bar und weine, bis meine Atemwege völlig verklebt sind. Und als im Gefolge dieses einsamen Exzesses der Mittwoch anbricht, gehe ich nach draußen, um der Welt ein letztes Mal ins Auge zu sehen. Einer anderen Welt als vorher. Sie ist jetzt die Welt des Masters, heimgesucht von Parasiten, Eindringlingen und diversen Krankheitserregern.
    Ich trete hinaus und fühle mich wie der Urquell dieser Infektion.
    Als ich in Tempelhof ankomme, herrscht dort die Betriebsamkeit eines Bienenstocks. An den Flanken des Flughafens stehen riesenhafte Lieferanteneingänge offen, während Tieflader mit Blinklichtern, begleitet von Horden von Männern auf unbekannter Mission, wichtigtuerisch hin und her piepsen. Wie ein Fels in der Brandung steht inmitten all dessen das Küchenmobil und pumpt moderne Beats in die Luft – und an der Theke steht eine schwarz gekleidete Gestalt.
    Wie ein Film-Noir-Spion hat er den Kragen aufgestellt – fast stößt er gegen den salopp aufgesetzten Homburg – und wippt rhythmisch auf den Fersen mit.
    Als ich in weitem Bogen näher komme, erkenne ich ihn: Es ist Gottfried Pietsch.
    Mein körperlicher Zustand entspricht dem eines Menschen, der nach langer Krankheit den Tag seiner letzten Atemzüge durchlebt; ein Bein ist steif geworden und schleift traurig hinterher, meine Arme lassen sich nicht mehr von den Rippen lösen, und meine Hände biegen sich wie Klauen nach innen. Ich versuche, ohne gesehen zu werden an dem Wagen vorbeizukommen, und gerade, als ich glaube, es geschafft zu haben, raunzt mich von hinten eine Stimme an: » Engländer – falls du nach Specht suchst: Drinnen ist er nicht.« Gottfried hat sich nicht umgedreht, sondern durch den Hinterkopf auf mich angelegt. Ich gehe zu ihm.
    Nachdem ich zugesehen habe, wie er das Bierglas an die Lippen führt, wie sich die elegante Pilskrawatte um das erhobene Glas dreht und wie er das Getränk zurück auf die Bar stellt, sagt er, noch immer, ohne sich direkt an mich zu wenden: »Du weißt nicht zufällig was über eine Filmproduktion, die hier läuft?«
    »Hm«, huste ich. »Kann ich nicht behaupten, nein.«
    Diese Antwort bringt ihn nach einer steinernen Pause dazu, herumzuschwenken und mir ins Gesicht zu starren. Ich schaffe es, seinem eisblau stechenden Blick ein, zwei Sekunden standzuhalten – es ist, als würde man direkt in die Sonne schauen –, dann weiche ich blinzelnd aus. Nach einem weiteren Moment des Schweigens macht er eine kleine Zeremonie daraus, sich eine dicke Zigarre aus der Brusttasche zu ziehen und mit ihr den Columbiadamm hinaufzudeuten, wo zwei Gestalten unter einem Baum auf der Bordsteinkante sitzen. Die eine, mit dem Kopf in den Händen und dem Telefon am Ohr, ist Gerd. Ich bedanke mich und gehe hin. Neben Gerd sitzt Anna und malt mit einem Zweig Spiralen auf den Boden.
    »Bah! Was?«, höre ich beim Näherkommen Gerds Stimme beben. »Aber sie haben auch den Kiosk kaputt gemacht, und da geht es nicht darum, wer

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