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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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zeigt und den Kopf schüttelt, als hätte sie das ungezogenste Kind aller Zeiten vor sich. Und sie sagt: »Was du ganz zu Anfang gebraucht hättest, wäre eine ordentliche Kissenschlacht gewesen. Eine, bei der du am Ende heulend auf dem Boden liegst.«
    Und whoosh. Ein alter Wunsch flutet mit Macht zu mir zurück. Was für ein Limbus.
    Hernach senkt sich Schweigen auf uns, es gibt keine Erwiderung, und mein Spiel ist schon zu weit gediehen, um noch die Arme nach ihr ausstrecken zu können. Obwohl ich ihr Gesicht hin und wieder auf Anzeichen besserer Laune überprüfe, wende ich mich irgendwann anderen Dingen zu. Ich habe eine Idee, und zwar folgende: In meiner Tasche steckt ein gelber Diamant. Wenn ich es schaffe, für Gerds Verluste eine Entschädigung aufzubringen, sterbe ich vielleicht doch noch als irgendwie Erlöster, nicht zuletzt in Annas Augen, was mir plötzlich sehr erstrebenswert erscheint. Schon komisch, warum wir manche Leute in unsere mentale Jury aufnehmen, in jenes Tribunal, vor dem wir uns verteidigen und auf Strafmilderung plädieren.
    Mein erster Gedanke ist, den Diamanten in Bares zu tauschen; aber ich fürchte, dass Gerd Schulden peinlich sind, weswegen er sie lieber einfach vergessen würde. Dann aber fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Wenn er den Stein selbst findet, irgendwo auf dem Flughafengelände – was durchaus plausibel wäre bei dem Trubel, der hier neuerdings herrscht –, dann kann er ihn auch nicht ablehnen! Er findet ihn, ich bin ihm behilflich dabei, den Stein zu identifizieren, gratuliere ihm zu dem Glücksfall, rufe Zeugen herbei – und Bingo.
    Beim Gang nach unten rolle ich den Stein in der Tasche herum.
    Die Luft erzittert, als die Sicherheitstür aufschwingt. Obwohl wir uns nicht weit in den Tunnel hineinwagen, halte ich sehnsuchtsvoll Ausschau und kann in einiger Entfernung neben den Schienen Bewegung ausmachen. Auch Anna fällt etwas auf, wir bleiben stehen und recken die Hälse. Zwei Männer in Overalls tauchen auf, die auf einem Rollwagen einen Käfig vor sich herschieben. Als der vordere uns entdeckt, wirft er hastig eine Decke über den Käfig – wir hören nur ganz kurz, dass im Inneren etwas herumschwirrt.
    Winzige, sirrende Vögel, wie es scheint. Kolibris.
    Anna sieht mich an.
    Ich zucke mit den Schultern und will die Sache gerade herunterspielen, als ich von Gerds durchs Treppenhaus hallender Stimme gerettet werde: »Hallo!«, ruft er. »Anna?«
    »Wir laden gerade die Kisten ab«, gibt sie zurück.
    »Das hat aber lange gedauert.« Sein Kopf erscheint am Treppenabsatz.
    »Dein Dichter musste sich erst noch übergeben.«
    »Danke, Anna, sehr nett«, huste ich.
    »Frederick? Alles in Ordnung bei dir? Ich fühle mich aber auch nicht so gut – kommt doch mit den Schlüsseln zu Ende, Anna, dann kann ich nach Hause gehen. Es reicht auch für einen Tag, bah.«
    »Dann können wir zusammen bis zur Ecke gehen«, sage ich. »Ich wollte auch los.«
    Als Gerd und ich loszotteln, streichle ich in der Tasche den Diamanten. Zwischen dem Eingang zur Abfertigungshalle und dem Gedenkgarden steht ein großer Adlerkopf aus Bronze auf einem Sockel – offensichtlich der Rest eines Nazi-Adlers. Ich bleibe stehen, um die Bronze zu bewundern und warte ab, dass uns eine Familie überholt; dann, als Gerd mir zeigt, wo der Adler einst auf dem Dachfirst des Terminals hockte, lege ich den Stein auf den Gehweg.
    »Gerd.« Ich strecke den Finger aus: »Wie sieht das deiner Meinung nach aus?«
    »Äh – was?«
    »Hier unten. Wie ein Diamant.«
    »Bah.« Er beugt sich runter. »Das ist Glas. Woher sollte hier ein Diamant kommen?«
    Der Edelstein funkelt in seiner Hand. Wir stupsen ihn an.
    »Und außerdem ist er gelb«, sagt er. »Diamanten sind weiß.«
    »Nein, es gibt auch gelbe Diamanten.«
    »Ach, aber die sind unglaublich selten. Das muss Modeschmuck sein.«
    Nichtsdestoweniger schließen sich seine Finger um den Stein, und wir laufen weiter. Meine Stimmung hebt sich, denn obwohl keine Zeugen zugegen waren, wird er auf dem Heimweg sicher in der Piratenburg einkehren, wo allwissende Freunde ihm den Fund bestätigen.
    Als wir die Familie wieder überholen, sehe ich, wie Gerd langsamer wird und die Eltern anlächelt. Dann streckt er in Zeitlupe die Hand zu dem kleinen Mädchen aus, das am Arm der Mutter hängt:
    »Hier, meine Kleine.« Er drückt ihr den Stein in die Hand. »Für eine Prinzessin.«

21
    So zieht der Tag vor dem Bankett herauf. Ich habe getan, was ich konnte – und

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