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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Hm.«
    »Bist du da noch nicht drauf gekommen? Deswegen ist sie doch weggefahren! Gerd und sie hatten einen Riesenkrach. Nachdem du bei der Party aufgetaucht warst, hat der Streit angefangen. Sie war dagegen, für dein Essen aufzukommen. Und Gerd hat immer nur gesagt: Aber er hat doch den besten Wein mitgebracht, Gabriel hat den besten Wein mitgebracht. Es nahm kein Ende, irgendwann sind sie bei seinem Club damals in Prenzlauer Berg gelandet. Stimmt es, dass dein Vater ihn damals bestohlen hat?«
    »Na ja – zumindest sagt Gerd das. Ich war noch ein Kind.«
    »Deswegen also.« Sie hält inne und starrt mich an. »Dein Vater bestiehlt ehrliche Menschen, und du stellst dich als grässlich und egomanisch heraus.«
    »Könntest du nicht mal wenigstens ein ganz kleines bisschen lügen, nur so aus Höflichkeit?«
    »So was wie: Vielleicht gibt es noch Hoffnung für dich?«
    »Ha, ha, ha.« Mein Kopf kippt mir in den Schoß.
    Sie sieht, dass das gesessen hat, und fängt ebenfalls an zu lachen.
    »Ha, ha, ha.« Ich stolpere zu einem Mülleimer, hebe den Deckel und bespritze ihn mit halbverdautem Pommesschaum.
    Anna wendet sich ab, wobei sie bestätigend vor sich hinnickt. Als es irgendwann wieder geht, schleppe ich ihre Kisten zum Flughafen. Mein Tag hat sich aufgelöst, mein Körper ist ein Wrack, mein Charakter wurde runtergebrochen auf das, was er ist: nicht viel wert.
    »Hat Spaß gemacht«, keuche ich, als der Flughafen wieder auftaucht.
    »Dir vielleicht. Du scheinst ja die Zeit zu haben, blutend in der Gegend rumzurennen und Ehen kaputt zu machen. Warum bist du eigentlich wirklich hier?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen. Du bist auch nicht gerade die typische Kiosk-Angestellte. Bist du so was wie eine Wahrheitswächterin? Ein frei herumlaufender stumpfer Gegenstand?«
    »Pff, ich tue, was ich kann. Ich spare mir einen Urlaub zusammen.«
    »Bei dem, was du im Kiosk verdienst, findet der dann schätzungsweise im nächsten Jahrtausend statt.«
    »Ich helfe Gerd aus, bevor ich losfahre. Im letzten Jahr habe ich am Potsdamer Platz gearbeitet. Als die Schließung verkündet wurde, war Gerd sicher, dass das Geschäft während der letzten Wochen brummen würde. Er hat bergeweise Ware eingekauft.«
    »Hm.« Ich stelle die Kisten ab. »Das tut mir leid, wirklich.«
    »Ich sage ja gar nicht, dass es dir nicht leid tut. Außerdem ist es typisch Gerd, dass er wegen der Party in Panik gerät und den Laden einfach dicht macht. Ich verstehe ja, dass er sich aufregt, immerhin plant er die Feier schon das ganze Jahr. Aber er könnte sie auch irgendwo anders abhalten. Plötzlich macht er hier einen auf Platzhirsch. Herr Pietsch ist genauso, hängt hier rum wie ein verlassener Liebhaber.« Mit ihren klaren, grünen Augen sieht sie zu mir hoch. »Ich habe nur Sorge, dass Gerd sein Auto verkauft oder eine andere Dummheit macht, um vor Gericht einen Prozess anzustrengen. Er hat kein Geld für Anwälte. Seitdem Gisela weg ist, ist er nur noch erschöpft, und jetzt auch noch diese Konkurrenz von dem Cateringmobil.«
    Mit dem Dröhnen eines Düsenflugzeugs kommt vom Flughafen her einen Luftzug auf. Wir passieren den Baum, unter dem Gerd saß, und suchen an dem Cateringwagen nach Spuren von ihm oder Gottfried. Wir finden keine. Als ich stehen bleibe, um zu verschnaufen, setzt sich Anna in einen der Lieferanteneingänge und behält mit gerunzelter Stirn die Straße im Blick. Zwischen allen Welten hängend setze ich mich zu ihr – Leben und Tod auf der einen, Tiger und Bockwürste auf der anderen Seite.
    »Ich wünschte, ich könnte vor meiner Abreise bei Gerd etwas wiedergutmachen«, sage ich.
    »Das ist nicht einfach, er hat seinen Stolz und hasst es, jemandem etwas zu schulden. Ich sollte dir das nicht sagen, nach dem ganzen Stress zwischen ihm und Gisela – aber Gerd mag dich sehr, nur für den Fall, dass du das nicht wusstest. Er hat keine eigenen Kinder, er konnte sich keine leisten. Aber er hat dich seit deiner Kindheit in guter Erinnerung und hat dich vor Gisela verteidigt. Allein durch deinen Besuch hast du ihm also schon ein bisschen was zurückgezahlt. Er ist jemand, der Menschen und Dinge, die er schon lange kennt, sehr wertschätzt. Ich bin mir sicher, dass er es nur deswegen mit Gisela aushält – sobald der Schock nachgelassen hatte, war sie einfach immer da, er hat sich an sie gewöhnt.«
    »Hm, tja, danke. Es rührt mich, dass du mir das sagst.«
    »Pff, krieg dich wieder ein – du bist und bleibst erbärmlich.«
    Dem

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