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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Rhythmus und schreitet im Versmaß von Fisch und Sake mit zwischengeschalteten Drogenrefrains voran. Letztere werden von Smuts mit einem Nicken Richtung Toilette ausgelöst. Eine Anmerkung für die Forschung: Indem er sie ineinanderblendet wie ein Maler Meer und Himmel, scheint heißer Sake zwischen harten und weichen Substanzen wie Balsam zu wirken. Sake und MDMA geben in diesem Bild einen hübschen Himmel ab für Spirituosen und Kokain – ein Meisterwerk des Nimbus, geschäftig und gleichzeitig gebadet in ruhiges Licht wie eine flämische Hafenszene. Wenn ich so darüber nachdenke, gilt das für sämtliche Dinge im Leben: alles eine Frage der Verquickung, genau wie bei einem Parfüm. Sogar unsere Erfahrungen scheinen drei Geruchsnoten zu haben: die Kopfnote unmittelbar zuschlagender Ereignisse, die Herznote sich anbahnender Ereignisse und die Basisnote, die einem nach Abzug der Ereignisse wie ein Fleck bleibt und Erinnerungen sowie Erkenntnisse bewahrt. 20
    Nach einer Abfolge von Refrains und Gedankenflügen, von denen ich einige für Sie schnell niedergelegt habe, beginnt sich das Haus zu leeren. Umgekehrt proportional zu meinem sprunghaft anschwellenden Nimbus schwimmen die Fische im Aquarium jetzt langsamer und niedriger, dankbar vielleicht, dass sie mitsamt ihrer Toxine überlebt haben. Smuts’ Kollegen wischen sich den Schweiß vom Gesicht, während Smuts, beschäftigt mit trivialen Aufgaben, kreuz und quer durch die Küche läuft.
    Meine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf die Giftstoffe.
    Unbedingt muss ich etwas davon zurück ins Hotel schmuggeln, denn hier in dieser eleganten Umgebung wäre die Brutalität, mit der ich Smuts hintergehen würde, viel zu offenkundig, da kann unser Nimbus noch so hell leuchten. Es wäre ein derartiger Akt der Verrohung, dass mein Rausch vor lauter Scham gleich ein bisschen nachlässt. Was allerdings ein Licht wirft auf ein Problem des Limbus: dass der ungezügelte Geist darin seine Zivilisiertheit einbüßen kann. Dass er dann nur noch um sich selbst kreist und anmaßend wird. Merkwürdig – manche Dinge zählen eben doch . Der Limbus braucht eine Verfassung. Was eigentlich ein Rätsel ist: Wenn nämlich der Entschluss zu sterben bedeutet, dass nichts mehr von Bedeutung ist – dann ist auch der Tod nicht mehr von Bedeutung.
    Whoosh – manche Dinge sind trotzdem von Bedeutung.
    Der letzte Rest Sake rinnt meinen Hals hinunter, und ich beiße direkt am Tisch in einen MDMA-Kristall, um die Untiefen der Frage »Welche Dinge haben Bedeutung?« zu umgehen. Gott sei Dank habe ich den Selbstmord, auf den ich mich konzentrieren kann. Ja, und das Hotel ist die nahe liegende Lösung. Gift ins Hotel. Pass und Portemonnaie wegwerfen. Ein anonymer Toter. Auf der Straße aufgefunden, oder am Strand. Ein neuer Bewohner des Japanischen Meeres, oder an die Küste gespült wie Seetang. Meine Haifischflossenfrisur deutet ja schon in die Richtung. Und da ich an Fisch sterben werde, kann ich ihm dann nicht auch im Meer begegnet sein? In diesem Fall ist Smuts’ Arbeitgeber aus dem Schneider, und solange ich nicht auf den Titelseiten lande, wird auch Smuts ewig und drei Tage nichts davon erfahren.
    Ach, Smuts. Diese Idee fängt gerade an, Äste zu treiben, als es auf der anderen Seite des Raums am letzten mit Herren besetzten Tisch laut wird. Fauch- und Grunzlaute sind zu hören, Geräusche, die man eher mit Schwertkämpfen in Verbindung bringen würde. Als ich hinsehe, fällt mir auf, dass einer der Männer eine Hose mit Schottenkaros trägt, zwei haben Pferdeschwänze, die wie Plastik glänzen. Der Älteste sitzt alleine am Kopfende des Tischs und scheint der Unruhestifter zu sein. Alle sind betrunken. Aufsteigender Zigarettenrauch absorbiert das Leuchten des Aquariums, der Salon hat jetzt etwas von einem epischen Schauplatz mit wilden Tieren und Feuer.
    Ich bin gebannt – aber Smuts’ Kollegen vermeiden es, zu diesem Tisch zu schauen. Die meisten der Angestellten machen sich zum Gehen fertig, und ich bemerke, dass sie bei jedem Geräusch, das sie zum Hinsehen verleiten könnte, lieber einander anschauen. Tomohiro, der Koch mit der Lizenz – ein größerer, vornehm wirkender Mann –, zieht den Mantel über und kommt, um den letzten Gästen eine gute Nacht zu wünschen.
    Darauf reagiert der Älteste der Gentlemen mit einem gebieterischen Schlag auf den Tisch. Ein glänzend grauer Anzug hängt an ihm, und sein Mund scheint im Begriff zu sein, Entsetzen auszudrücken. Was aber keine

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