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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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spontane Regung ist; dieser Mund ist von Natur aus so. Ein Mann, am Rand des Entsetzens geboren.
    Wums: Er schlägt wieder auf den Tisch. Mit gesenktem Kopf steht der Koch da.
    Schließlich spuckt der alte Limbonaut ein paar Worte aus – und es klingt, als würde ein Samurai mit dem Schwert attackieren. Seine Schergen geben protestierende Grunzgeräusche von sich, aber der Ältere wedelt sie mit einem hysterischen Flattern seiner Hand weg, wie ein Kleinkind. Er ist der Boss am Tisch. Ein kindischer Boss am Rand des Entsetzens. Er starrt den Koch an. Tomohiro spricht mit dem Fußboden. Zischend erwidert der Mann etwas, wobei er rückwärts taumelt, als ob tödlicher Zorn von ihm Besitz ergriffen hätte. Erneut versetzt er dem Tisch einen Hieb.
    Stäbchen springen in die Höhe.
    Mitten in diesem ganzen Drama, das für die gesamte restliche Welt wie Kabuki-Theater aussieht, kommt der Moment, in dem der Karo-Mann den Kopf dreht und mich anlächelt. Plötzlich zerbricht die Spannung meines Voyeurismus. Wir sind jetzt in eine Beziehung getreten, gemeinsam im Club, und ich lehne mich zurück und beobachte entspannt rauchend, wie die Dinge sich entwickeln. Es sieht so aus, als ob der erprobte Limbonaut um etwas bittet, das zu verwehren Tomohiro peinlich ist. Und obwohl mein Nimbus eigentlich will, dass ich sie alle in die Arme schließe und mich ihnen anvertraue, bekomme ich es mit einiger Kraftanstrengung doch hin, mich mit der introspektiven Ruhe des einsamen Gastes im Sitz zu rekeln und die Szene unauffällig im Auge zu behalten.
    Kurz darauf schlängelt sich Smuts an meinen Tisch. »Schräg.« Er stellt ein weiteres Gericht vor mir ab. »Normalerweise kümmert sich Yoshida höchstpersönlich um sie. Eigentlich ist er wie eine jungfräuliche Braut, wenn die auftauchen. Und jetzt muss sich Tomo mit ihnen herumschlagen.«
    »Über was reden sie?«
    »Keinen blassen. Wahrscheinlich fragen sie ihn: ›Warum sehen die Fische aus wie wir? Wie haben Sie es geschafft, unsere Familien in das Becken zu kriegen?‹« Smuts versucht, sich das Lachen zu verkneifen.
    Die Männer hören es trotzdem und drehen sich um.
    Smuts überspielt seinen Fauxpas und verkündet mir schnell: »Der erste Gang war fugukawa yubiki – ein Fugu-Haut-Salat mit Ponzu-Sauce und rotem Pfeffer.«
    Ich lächle den Herren zu. Sie zwinkern zurück, und da sie gerade abgelenkt sind, schenkt Tomohiro ihnen schnell eine angedeutete Verbeugung und marschiert hinaus zum Fahrstuhl.
    »Zum Abschluss empfehle ich hire-zake «, sagt Smuts. »Warmer Sake mit im selben Glas gegrillten Fugu-Flossen. Darf ich ihn im Weißen Zimmer servieren?« Schwankend führt er mich den Flur entlang und trägt der letzten Kellnerin auf, den Fugu-Wein zu holen.
    Im Weißen Zimmer lässt er sich in einen Sessel plumpsen. »Was für Sackgesichter. Es ist fast Mitternacht.«
    »Können wir nicht unten bleiben? Ich fand’s lustig.«
    »Hol erstmal ein paar Lines raus. Bisschen zu offensichtlich, wenn wir zusammen auf der Toilette verschwinden. Vielleicht schnallen die alten Mafiosi so auch den Wink mit dem Zaunpfahl und verpissen sich.«
    Mit der gewissenhaften Ausstrahlung von Bombenentschärfern – die Ausstrahlung aller Betrunkenen, die sich Geschicklichkeitsaufgaben widmen – ziehen wir den Rest des Gramms in Lines, auf der Rückseite meines Portemonnaies, damit wir im Weißen Zimmer nicht austicken. Außerdem habe ich ein Auge auf Smuts. Sein Nimbus ist auf einem schwärenden Niveau stecken geblieben. Dass es Smuts passieren kann, ab einem gewissen Punkt an seiner eigenen Kette zu hängen und nicht weiterzukommen, hatte ich vergessen.
    »Pu- tain .« Er schlürft eine Line die Nase hoch.
    Weit davon entfernt, den Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, werden die Limbonauten auf der anderen Seite der Tür immer lauter. Smuts beschließt, es im Weißen Zimmer auszusitzen, aber nach der dritten Runde hire-zake – eine verkohlte Flosse steht aus jedem Glas heraus, und mit aromatischer Großzügigkeit verschenkt das Getränk seine auratische Gunst – werden seine Augen rot und fangen an zu blitzen. Irgendwann klingelt das Handy in seiner Tasche, und er reißt es heraus und schleudert es quer durch den Raum.
    Schließlich klopft die Kellnerin und überbringt eine Botschaft: Die Gentlemen laden uns noch auf einen Schlummertrunk an ihren Tisch ein. Sehr gern kehre ich in den Salon zurück. Mein Nimbus ist hochfliegend, mein Körper taub – Zeit, sich fürs Finale vorzubereiten. Beim

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