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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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sich draußen entfernt. Als ich mich wieder dem Kiosk zuwende, bemerke ich, dass das Mädchen mich beobachtet. Schnell senkt sie den Blick und schaltet ein kleines Transistorradio ein. Einer dieser Evergreen-Sender, die eigentlich nur in den Radios älterer Autofahrer existieren, schallt durch die Halle.
    Nachdem sie hinter der Scheibe eine Zeit lang saubergemacht hat, sieht sie endlich wieder hoch: »Was wollen Sie denn von Herrn Specht?«
    Ich verschlucke mich fast an meinem Kaffee: »Sie kennen ihn? Ich bin ein alter Freund von ihm.«
    »Ein Freund?« Sie betrachtet mich genauer. »Wer’s glaubt, wird selig.«
    »Hören Sie, können Sie mir nicht einfach sagen …«
    »Heute hab ich ihn noch nicht gesehen. Vor vier kommt er wahrscheinlich nicht.«
    »Vor vier? Heute Nachmittag?«
    »Pff – sprech ich so undeutlich?«
    Whoosh. Sie verzieht sich nach hinten.
    Gegen jede Logik treiben mich diese Neuigkeiten auf die Toilette, einer Line wegen. Ich erlaube meinen Zähnen, vor lauter positivem Stress zu knirschen, bevor ich auf der Straße eine Telefonzelle suchen gehe. Obwohl es noch zu früh ist, Smuts über das volle Potenzial der Situation in Kenntnis zu setzen – und ich ermahne mich, bloß nichts zu übertreiben –, will ich ihn trotzdem unbedingt wissen lassen, dass ich unseren Mann gefunden habe.
    In Tokio geht ein anderer Polizist an den Apparat. Dann höre ich eine leblos monotone Stimme:
    »Es ist spät, Putain.«
    »Smuts – ich habe ihn.«
    »Ja, hör zu, die Fischproben sind da, ha. Vernachlässigbare Giftkonzentration . Sie sagen, ich hab die Innereien wahrscheinlich wochenlang gemolken, um genug zusammenzukriegen.«
    »Was? Diese Fische waren tödlich. Wir haben sie doch selbst probiert.«
    »Aber nicht die, die Tomo ersetzt hat. Schnallst du, worauf das hinausläuft? Sie behaupten, ich hätte vorsätzlich gehandelt. Der Anwalt war den ganzen Tag hier. Den Morgen über hat er mich noch wegen der Anzeige auf Körperverletzung weich gekocht. Jetzt labert er plötzlich von versuchtem Mord und will einen Scheck.«
    »Aber Moment mal – ich kann doch bezeugen, dass die Fische ausgetauscht wurden.«
    »Und du hast wahrscheinlich auch noch einen der alten Fische übrig, um das zu beweisen. Ohne den Originalfisch ist aber alles unwesentlich, wir sind bloß zwei dumpfbackige Touristen gegen eine kommunale Institution. Du glaubst nicht, was hier gerade abgeht. Tomo ist plötzlich in Okinawa und nicht zu erreichen, der Boss tauft das neue Restaurant nach dem Bürgermeister, und der Baske hat seinen Händlernamen für Japan geändert. Eine große, beschissene Partie Schach, die hier abläuft.«
    »Aber Smuts …«
    »Gerade ist der Baske in einer Telefonkonferenz mit dem Chef, danach ruft er mich an. Und weißt du, was ich mir überlegt habe, du vollgekokster Putain, ich kann nämlich hören, wie du’s dir hinten den Rachen runterziehst. Folgendes habe ich mir überlegt: Er muss eine Entscheidung treffen, wen er opfert. Er spricht erst mit uns beiden, danach kann er entweder zu mir halten und Yoshida in die Scheiße stoßen. Oder er bleibt bei Yoshida, dann bin ich gefickt. Und weißt du was? Yoshida kauft jede Woche Ware für hundert Gedecke von ihm. Und ich nicht für eins.«
    »Warte mal – und was, wenn er dich hier beliefert? Ich habe den Laden gefunden, und den Mann auch. Das hier könnte zu einem interessanteren Angebot werden als Japan. Hör zu, in ein paar Stunden habe ich …«
    »Aufwachen! Ich hab doch gerade gesagt, dass es exakt in dieser Sekunde abgeht! Und niemand läuft jetzt erst noch gemütlich eine Runde um den Block! Putainel! Die Kacke ist am Dampfen!«
    Meine Hände zucken. Parallel mit meiner Nase und meinem Herz werden sie taub von einer Kälte, die aus meinem Inneren herausspritzt. Die Umklammerung des Master-Limbus. Innerhalb von Sekunden jagen sorgsam gehütete Hoffnungen meine Kehle hinauf:
    »Smuts – das Ding ist über einen Kilometer lang.«
    »Hä?« Bis auf ein Knacken ist es still in der Leitung. »Erzähl keine Scheiße – du bist aus Versehen am Flughafen gelandet.«
    »Genau so ist es. Ich bin an Hitlers Flughafen aus den Dreißigern. Früher mal das größte Gebäude der Welt. Der eindrucksvollste Brocken Architektur, den du je gesehen hast. Mehr oder weniger leer. Über drei Millionen Quadratmeter mitten in Berlin. Die Flugzeuge fliegen direkt bis vor die Tür.«
    Dem folgt ein Schweigen, das nur in meinem Kopf vom Geräusch herabrollender Kugeln unterbrochen

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