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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Aussparungen in der Decke fluten würde, könnte diese Abfertigungshalle gut und gerne das Grab von jemandem sein, dem Kleopatra auf Knien zu Diensten war.
    Kurz darauf höre ich ein leises Klack-klack-klack; eine alte Frau mit einem kleinen Hund an der Leine erscheint oben am Treppenabsatz, als würde sie einen Sonntagsspaziergang machen. Der Hund trägt ein rotes Leibchen und trottet klackernd neben ihr her.
    »Tag«, sagt sie im Vorbeigehen.
    »Guten Tag«, nicke ich ihr zu.
    Am anderen, weit entfernten Ende der Halle wischt ein kugelförmiger Herr den Boden, und als er niest – hatschi –, flappt das Geräusch träge durch die Luft auf mich zu. Ich stehe wie erstarrt da; und das ist nur ein Raum in einem Gebäude, das sich bogenförmig noch mehr als einen Kilometer nach links und rechts erstreckt. Aneinandergereihte Kathedralen vereint unter einem Dach, als eine einzige Konstruktion, die so leer und ruhig ist, dass man die Pfoten eines Terriers auf dem Boden hören kann.
    Specht gewinnt ganz neue Proportionen.
    Mir schaudert.
    Anstatt den ganzen langen Weg zu dem Herrn oder dem Check-in-Mädchen zu wandern, gehe ich zurück, um die Männer vor der Tür über den Club auszufragen. Auf meinem Weg durch die Vorhalle entdecke ich rechts eine Handvoll leerer Bartische. Sie stehen einem Kioskfenster gegenüber, das geöffnet zu sein scheint. Als ich mich nähere, dröhnt eine Frauenstimme heraus:
    »Wenn du mal lachen willst, schau dir den mal an.«
    »Pff – ein kleiner Ludwig. Hat sich wohl aus Tirol herverirrt.«
    Aus größerer Nähe sehe ich, dass es sich um einen kleinen Imbiss handelt, der die trockensten Kuchen- und Brötchensorten und die unbuntesten Süßigkeiten im Angebot hat. Gläserne Vitrinen zu jeder Seite der Durchreiche im Fenster stellen Softdrinks, Bier und sich bereits aufrollende Souvenir-Aufkleber zur Schau.
    Ich schaue hinein. An der hinteren Wand lehnt schwer eine Frau mittleren Alters, die Arme verschränkt. Sie hat dunkle Haare und eingefallene, von Unannehmlichkeiten und bitterem Schicksal geprägte Gesichtszüge. Eine jüngere, kleinere Frau schiebt sich an ihr vorbei und verschwindet in einen rückwärtigen Raum.
    »Entschuldigung«, frage ich die Frau, »ist hier irgendwo der Pego Club?«
    Ohne die geringste Regung im Gesicht mustert sie mich von oben bis unten.
    »Jemand hat mir gesagt, er könnte hier sein. Oder ein gewisser Herr Specht – ist der hier vielleicht bekannt?«
    »Hnf«, grunzt sie. »Wenn wir jeden, der hier bekannt ist, auf eine Liste schreiben würden, wären wir ja an Weihnachten noch nicht fertig. Vorschlag: Sie schauen sich um und sagen mir, ob Sie irgendwelche Herren entdecken können.«
    »Tja« – ich lasse den Blick durch die Eingangshalle schweifen – »im Moment nicht, nein.«
    »Also bitte.«
    »Hm.« Blöde Kuh. Da mir einfällt, dass Ruppigkeit in Berlin ein beliebter Zeitvertreib ist, lasse ich ein paar Augenblicke verstreichen und probiere es dann anders: »Haben Sie Kaffee?«
    Sie dreht mir den Rücken zu.
    »Wenn Sie keinen Kaffee haben, nehme ich …«
    »Einen?«, blafft sie über die Schulter.
    »Einen was?«
    »Kaffee.«
    »Ach so – ja. Ja, bitte.«
    »Da müssen Sie die Bedienung fragen.« Sie verschwindet im Hinterzimmer.
    Da ich Aschenbecher auf den Tischen sehe, ziehe ich einen Hocker vor und zünde mir, fasziniert von der Unverschämtheit der Frau, die eine ähnliche Dimension hat wie das Gebäude selbst, eine Zigarette an. Aus dem rückwärtigen Raum höre ich Gekicher, und kurz darauf kommt die andere Gestalt heraus, ein Mädchen, ebenfalls dunkelhaarig und mit ernstem Gesicht.
    »Mit Milch?« Sie geht zu einem Kaffeeautomaten.
    »Nein, vielen Dank.«
    »Pff«, macht sie verächtlich.
    Offensichtlich hat wieder mal eine Facette meiner Persönlichkeit eine falsche Saite angeschlagen. Ich folge ihr mit grimmigem Gesicht: »Entschuldigung – habe ich irgendetwas Falsches gesagt?«
    »Ich habe Ihnen doch noch gar nichts gegeben.«
    »Was?«
    »Ich habe Ihnen noch nichts gegeben, und Sie bedanken sich schon. Macht man das so in Österreich?«
    »Ich bin aus England.« Ich gehe zur Theke.
    »Ein Euro vierzig.«
    Nun doch verärgert von den beiden, die wahrscheinlich geistig zurückgeblieben sind, haue ich die Münzen auf die Theke und gehe mit meinem Kaffee zum Tisch. Wenig später kommt die ältere Frau aus einer Tür in der Wand und geht klackernd hinter mir auf die Eingangstüren zu. Durch ein Fenster sehe ich ihren Kopf wippen, als sie

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