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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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wird.
    »Du wolltest was Geiles«, füge ich hinzu, und als ich die Worte ausspreche, hallen sie in mir wie Feuerwerk nach – denn alles, was ich gerade gesagt habe, stimmt, und es beschreibt eine Örtlichkeit, die feister ist als alles seit dem Fall von Rom.
    Das hier, mein Freund, ist der Ort meines Todes.
    »Scheiße«, flüstert Smuts, nachdem eine ganze Zeit verstrichen ist. »Und jetzt noch mal von vorne, ich muss es mir für Didi aufschreiben.« Im Flüsterton wiederholt er jedes Detail und drückt in seiner Eile den Kuli so fest auf, dass ich das Papier reißen höre: »Mehrere Kilometer lang, tausend Clubs, im Stadtteil … – das kann ich nicht schreiben, das kann ich nicht schreiben – … da, wo die Luftbrücke war, Millionen Quadratmeter, Jets bis zur Tür.«
    Mit jedem schnell hingeschmierten Fünkchen Hoffnung kann ich spüren, wie der Master-Limbus einen Zauber um uns wirkt – Smuts verspricht er Rettung, mir mein Ableben.
    »Mann«, sagt er, »auf dem Papier sieht das sensationell aus. Putain, Gabriel. Bist du dir auch wirklich sicher? Denk mal in Restaurantkategorien darüber nach – wie viele Tische bekommt man auf einen Kilometer? Heilige Scheiße. Der Baske wird sich selbst vollspritzen. Also, ich lege jetzt auf, er ruft gleich an. Aber gib mir mal eine Nummer, unter der man dich erreichen kann, dann nenne ich dich als Kontaktmann. Ruf mich später noch mal an, ja? Und, Putainel – danke. Wirklich.«
    Ich höre ihn noch leise pfeifen, dann ist die Leitung tot. Mit ans Ohr gedrücktem Hörer stehe ich noch einen Augenblick schwankend unter granitfarbenem Himmel und gönne mir ab und an einen kurzen, verlockenden Seitenblick auf das Gebäude hinter den Bäumen.
    Wir bewegen uns auf die Kegelspitze zu. Zeit fürs Endspiel.
    Dieser Moment schreit geradezu nach Kettenrauchen .
    Nach flugs geschürten großen Nimbuskräften.
    Ich muss den Wüstling Specht melken.
    Und dann muss ich sterben.
    Whoosh.
    Hm.

14
    Kokain, Tabak und Tageslicht sind eine ehrliche Mischung, sie sind überhaupt drei der in der Natur äußerst selten vorkommenden ehrlichen Dinge 27 und bekannt dafür, Prioritäten auf realistische Weise neu zu setzen.
    Zunächst einmal ist meine Kleidung falsch. Mein Erscheinungsbild sollte Specht die Hoffnung geben, dass die Spielbank noch geöffnet hat, und ihn nicht ins Grübeln darüber stürzen, wie noch mal der Text von Edelweiß geht. Ich hetze den Mehringdamm hinunter, zurück zum Second-Hand-Shop, wo ich einen auf retro gestylten schwarzen Anzug finde, der mich älter aussehen lässt; als dekadente Dreingabe nehme ich noch einen grauen Mantel aus Kunstfell mit, der ganz nebenbei als Puffer gegen die Objektwelt taugt. Derart immun gegen das Grauen gehe ich bis vier Uhr auf den Straßen von Kreuzberg spazieren, zunächst mit meinem angeschwollenen Segeltuchsack die Yorckstraße hinunter. Mir kommt der Gedanke an Essen, und ich betrete sogar drei Restaurants, nehme dort aber in dem Versuch, mich bis zu einem todbringenden Punkt zu schärfen, letzten Endes nur Kaffee und Koks zu mir. Ich versuche, ein Hyper-Genie zu werden, ein Schneidbrenner begründeter Entschlossenheit; und seltsamerweise verfüge ich bald, obwohl es ohne Zitteranfälle und Zähneknirschen nicht geht, tatsächlich über quecksilbrigen Scharfsinn und merke, dass ich Entscheidungen mit einer beflügelten Leichtigkeit fällen kann.
    Die erste gleich auf der Yorckstraße, als ich an einem Videoladen vorbeikomme, dessen Schaufenster nicht voller Videos ist, sondern von einem goldenen Labrador in Beschlag genommen wird, der auf einem Sitzsack döst. Wohl eher keine diplomatische Vertretung des Master-Limbus. Der Hund scheint für Gewinn und Verlust vollkommen unempfänglich zu sein. Ich beschließe, zum Umherstreunen ruhigere Wohngebiete aufzusuchen, wo der kapitalistische Geist vielleicht nicht ganz so brutal brüskiert wird.
    Ich biege um die nächste Ecke in die Großbeerenstraße, die mich elegant empfängt und Entscheidungen in derselben Fülle bereithält wie Blätter, die den Rinnstein entlangwehen. Hier beschließe ich, die Vorstellung von Realitätshorror über Bord zu werfen. Die Wirklichkeit ist ein kilometerlanger Veranstaltungsort. Der Orgienkönig Specht. Die Dinge stehen bestens. Im schlimmsten Fall werde ich ihm den Anteil meines Vaters im Tausch für einen einmonatigen Testlauf mit dekadenten Themen-Banketten überlassen, die Smuts betreut. Didier Le Basque könnte sie mit Lebensmitteln versehen, und ich

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