Das Buch Gabriel: Roman
über die von mir entfesselten Gewalten nach. Ich führe mir vor Augen, wie winzig klein die gestern noch für unüberwindbar gehaltenen Hürden waren. Ah, dieser Kegel! Wie geräumig er vor kurzem noch war. Als ich mich bewege, ächze ich vor mich hin, dann lege ich mir eine großzügige Line, die mich aus beiden Nasenlöchern bluten lässt. Ich stopfe Taschentücher hinein, die schnell schwer und nass werden, dann trage ich meine Habseligkeiten zusammen, schätzungsweise um meinen Selbstwert zu bemessen, bis ich mich mit tropfenden Hauern abwende. Was für dekadentes Gepäck. Was ist nur aus mir geworden, frage ich. Was ist aus dem Gepäck der Lebensfreude geworden, aus den lächelnden, weichen Plüschtieren, dem Obst aus dem Garten einer Tante und – sicher ist sicher – den Sandalen?
Was daraus geworden ist? Ich hatte es nie, dieses Gepäck. Man hat mich nur glauben gemacht, dass ich es einst besaß. Die Träume und Gleichungen meines Lebens sind für mich inszeniert worden, auf der Basis eines Lebens, das ich nie hatte, von irgendwelchen Managern mit Namen wie John, für die ich nie existierte.
So sieht es aus, mein scheiß Gepäck: ein Dutzend Weinflaschen, ein Parfumflakon, eine Miesbacher Joppe und der dazugehörige Hut, ein Kunstpelz und eine wahre Schwemme von Drogen.
Ich hocke mich daneben und richte die Feder am Hut.
Dann lege ich mich wieder aufs Bett und betrachte diese Summe meiner Lebensleistungen, bis nach zehn Minuten das Telefon klingelt. Bevor ich weiß, was ich tue, reiße ich den Hörer von der Gabel.
»Er lebt!«, dröhnt Thomas. »Mein Gott, ich hätte mir fast Sorgen gemacht, dass ich es vermasselt habe – entschuldige, falls wir gegen Ende indiskret waren, es war natürlich vollkommen idiotisch, direkt vor Ort aufzulaufen. Es ist hoffentlich nichts passiert?«
» Er lebt ist ein bisschen optimistisch«, schniefe ich.
»Ha, leidest du immer noch? Dann war ich ja zumindest ein guter Gastgeber. Und vielleicht bringt das hier ja Licht in deinen Tag: Ich habe unserem Freund in Paris berichtet, dass das Angebot, das du mir unterbreitet hast, genau das ist, auf das wir gehofft hatten. Er schwebt auf Wolke sieben, vor allem, weil es der letzte Monat überhaupt ist, in dem wir den Ort noch nutzen können. Das ist ein bisschen wie ein Bankett auf der Titanic am Tag vorm Auslaufen!«
»Ach ja?«
»Das wird die Mutter aller Events. Die Mutter!«
»Und was ist mit Smuts? Ist sein Fall auch die Mutter aller Fälle?«
»Aber ja – Didi ist gerade in einer Konferenz, keine Sorge. Er muss ein paar Strippen ziehen, und um seinen Kunden drüben tut es ihm natürlich leid. Aber der alte Mann hat ja im Grunde auf eigene Gefahr gekauft, und wir können nicht zulassen, dass einer unserer Leute für ein missglücktes Lotteriespiel büßt. Du kannst also ganz beruhigt sein: In Asien geht alles seinen Gang.«
»Das sind sehr gute Nachrichten.«
»Hinsichtlich unseres Events müssen wir uns allerdings beeilen. Als ich ihm wegen der Räumlichkeiten grünes Licht gab, hat der Baske einen vorläufigen Termin festgesetzt, und zwar Freitag, den 24. Oktober. Das ist Ende nächster Woche, am letzten Wochenende des regulären Flughafenbetriebs. Das werden wir mit Ach und Krach hinkriegen, bis dahin muss noch eine ganze Menge passieren. Mehr kann ich am Telefon dazu nicht sagen – nur so viel: Junge, Junge, was werden wir trinken am Montag! Pass bloß auf dich auf!«
»Ach ja?« Ich rappele mich vom Kissen hoch. »Na ja, aber es gibt da noch die eine oder andere Schwierigkeit.«
»Keine Sorge, es ist alles unter Kontrolle. Die Crew kommt am Dienstag.«
»Ach ja? Was für eine Crew denn?«
»Du weißt schon, Le Basques Leute aus Paris – Techniker, Elektriker, Dekorateure, Security und so weiter. Dienstagabend ist alles in trockenen Tüchern.«
»Was? Aber ich bin immer noch dabei, die Schlüssel zu besorgen!«
»Wunderbar, dann besorg mir doch gleich einen Satz mit. Am besten, du schnappst dir gleich ein ganzes Schlüsselbund. Hör zu, ich will dich nicht länger am Telefon aufhalten – lass uns doch morgen zum Brunch treffen, ich hole dich an besagter Stelle ab. Wir haben noch gar nicht über die Aufwandsentschädigung für dich gesprochen, außerdem werde ich dich um einen kleinen Gefallen bitten müssen: Der Baske kommt inkognito mit einem Geschäftsflieger in Tegel an, er wird also auch kein Gepäck aufgegeben haben – und ich dachte mir, es wäre eine nette Geste, wenn wir ihn mit einer Flasche
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