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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Dienstag – oder geht auch später noch?«
    Bettina fährt dazwischen: »Warum vergeuden Sie unsere Zeit? Machen Sie schon die Schlüssel nach, wir haben es eilig!«
    »Wie bitte? Ich mache hier nur meine Arbeit!«
    »Wie blöd sind Sie eigentlich?« Ihr Kopf stößt vor. »Glauben Sie wirklich, wir fahren an einem Samstagabend hier durch die Gegend, weil wir am Dienstag etwas brauchen?«
    Der Mann weicht zurück. »So können Sie nicht mit mir reden! Ich tue Ihnen doch schon einen Gefallen, mir die Sache überhaupt anzusehen! Wir machen hier ordentliche Arbeit, natürlich muss ich mir die Schlüssel genau ansehen! Aber wenn Sie mir so kommen, dann können Sie gleich wieder gehen!«
    »Das könnte Ihnen so passen!« Sie macht einen Schritt auf ihn zu. »Sie brauchen bis Dienstag, berechnen aber trotzdem den Aufschlag, weil wir außerhalb der Öffnungszeiten gekommen sind. Hab ich recht? Stellen sich hier hin, lassen alles ganz besonders schwierig aussehen und treiben den Preis in die Höhe. Sie zeigen mir jetzt sofort Ihren Gewerbeschein! Zeigen Sie mir Ihre Zulassung und Ihre Steuerunterlagen, ich rufe in der Zwischenzeit die Polizei! Wohnt Ihre Familie da oben? In Gewerberäumen? Holen Sie sie runter!«
    »Meine Dame, das ist unverschämt! Unglaublich! Ich mache hier meine Arbeit korrekt, und Sie beleidigen mich auf so eine Art und Weise? Ich sollte hier die Polizei rufen!« Flüche ausstoßend stiehlt sich der Mann in einen rückwärtigen Raum.
    Kurz darauf hören wir das Sirren einer Schleifmaschine.
    »Meine Berliner Beschützerin.« Erleichtert lächle ich sie an.
    »Ich bin aus Hamburg. Und er ist Türke, aber er hat sich dem hiesigen Rhythmus angepasst. Ihr habt’s so gut in London, hier fangen die Geschäfte gerade erst an, auch am Samstagnachmittag zu öffnen, von Sonntag ganz zu schweigen. Heute Abend noch einen offenen Supermarkt zu finden, ist fast unmöglich.«
    »Hm. Es ist auf jeden Fall entspannter hier alles.«
    »Entspannter für ihn auf jeden Fall«, spöttelt sie. »Aber in Zeiten wie diesen muss es einfach laufen. Und das Leben von Leuten wie uns besteht ausschließlich aus Zeiten wie diesen.«
    Zwanzig Minuten nach dieser bestechenden Wahrheit schnurren wir wieder aufs Flughafengelände zu, wo sich eine einzelne Gestalt vor den Eingangstüren abzeichnet. Ich erkenne Anna, die auf die Uhr sieht. Als wir näher kommen, tritt eine zweite, sehr viel größere Gestalt zu ihr – Gottfried. Es ist zu spät, um den Wagen noch anzuhalten. Wir rollen direkt bis an die Stufen, wo Bettina herausspringt, mir die Tür aufhält, nach kurzem Zögern mit einem frechen Lachen vor mir salutiert, wobei der höchste Punkt ihrer Mütze unter dem Licht der Lampen aufblitzt. In diesem Moment erst erkennt mich Anna. Ich sehe, wie sich ihr Gesicht verhärtet, aber sie sagt nichts, sondern wendet sich dem von dannen trottenden Gottfried zu, um ihm gute Nacht zu wünschen.
    »Ich sammle dich morgen zum Brunch wieder ein«, zirpt Bettina. »Hier oder vorm Hotel?«
    »Vorm Hotel ist gut«, sage ich ruhig. »Würdest du die Flasche hier bitte Thomas geben?«
    Der Wagen braust davon, ich drehe mich zu Anna und Gottfried und fummele die Schlüssel hervor. Gottfried nickt, ohne ein Wort zu sagen, und ist weg. Anna sieht mich unablässig an, wie ich da so eine Stufe unter ihr stehe. »Pff, so, so«, sagt sie nach einer vernichtenden Pause.
    »Entschuldige – mir ist auf dem Rückweg vom Keller eine alte Freundin über den Weg gelaufen.«
    »Das hab ich gesehen.«
    »Nicht das, was du denkst.« Ich händige ihr Gerds Schlüsselbund aus.
    »Aber irgendwas auf jeden Fall. Wahrscheinlich bist du ein Spion. Gabriel Bond, und der Auftrag lautet: Mitten in den Flughafen kotzen. Den Iran vollbluten.«
    Als ich sie anschaue, sehe ich es kurz in ihren Augen funkeln. Einen Augenblick lang stehen wir schweigend da.
    Dann: »Pff – tschüss.« Und sie geht.
    Wie in Trance fläze ich in der U-Bahn und fahre zurück zur Kastanienallee, während Hochbahnträger und Lichter vorbeiziehen. Als ich die Gleichungen des heutigen Tages überschlage, fällt mir auf, dass ich nicht so glücklich bin, wie ich eigentlich sein sollte. Eine Flasche Symposium und zehn Zigaretten im Bett helfen mir dabei, die Fakten zu sortieren: Ich habe die Schlüssel zum Wunderland, der Baske heckt mit Smuts dessen Entlassung aus dem Gefängnis aus, und in genau einer Woche wird mein Todesbankett stattfinden. Mein neuer Verbündeter, der Kapitalismus, tut nichts

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