Das Buch meiner Leben
Forschungszwecken schenkten. Dann brachte sie eine gescheckte Katze, die wir frei umherlaufen ließen, bis sie eines Tages überfahren wurde und Mutter so verzweifelt war, dass sie uns ein für alle Mal untersagte, weitere Tiere mitzubringen. Sie verkrafte das einfach nicht, sagte sie.
Kristina, die schon längst ihr Recht durchgesetzt hatte, das zu tun, wonach ihr der Sinn stand, ignorierte das Verbot einfach. Im Frühjahr 1991 fuhr sie mit ihrem damaligen Freund nach Novi Sad in Nordserbien, wo sie einen Züchter ausfindig gemacht hatte. Von ihrem gesparten Geld kaufte sie einen süßen jungen Irish Setter mit glänzendem kastanienbraunen Fell und brachte ihn mit nach Hause. Vater war schockiert – in der Stadt waren Hunde offensichtlich nutzlos, erst recht ein prachtvoller Irish Setter – und bestand darauf, dass sie das Tier sofort zurückbrachte. Kristina hörte natürlich nicht auf ihn. Mutter leistete erwartungsgemäß verbalen Widerstand, wollte nicht schon wieder ein Geschöpf im Haus haben, das ihr am Ende das Herz brechen würde, aber es war klar, dass sie sich in den Kleinen bereits verliebt hatte. Als er sich am nächsten oder übernächsten Tag über einen Schuh hermachte, wurde ihm augenblicklich vergeben. Wir gaben ihm den Namen Mek.
In einer Stadt wie Sarajevo lebt niemand für sich allein. Was die Leute erleben, teilen sie mit anderen. Etwa zu der Zeit, als Mek zu uns kam, erwarb mein bester Freund Veba, der gegenüber von uns wohnte, einen Schäferhund namens Don. Sein Vater, Unteroffizier in der Jugoslawischen Volksarmee, arbeitete in einem Depot am Stadtrand, wo es eine Hündin gab, die mehrere Junge geworfen hatte. Veba suchte sich den schwächsten, ungeschicktesten Welpen aus, der, falls sie beseitigt würden, als Erster dran wäre.
Veba war Kristinas erster Freund und der einzige, den ich wirklich leiden konnte. Das war in der Zeit, als sie noch zur Oberschule gingen, und zwei Jahre später hatte er sich von ihr getrennt. Kristina litt darunter, aber Veba und ich blieben gute Freunde, spielten in einer Band und machten überhaupt viel zusammen. Nachdem meine Schwester den Trennungsschmerz überwunden hatte, kamen sich die beiden wieder näher. Sie gingen oft mit ihren jungen Hunden spazieren. Ich wohnte da schon nicht mehr bei den Eltern, kam aber oft zu Besuch, vor allem, seit Mek im Haus war – ich ging gern mit ihm hinaus. Dank meiner unbezähmbaren Schwester hatte sich mein Kindheitstraum erfüllt. Veba und ich gingen mit Mek und Don am Fluss spazieren oder saßen auf einer Bank und sahen zu, wie sie im Gras herumtollten und spielerisch übereinander herfielen, während wir rauchten und über Musik, Bücher, Mädchen und Filme redeten. Ich weiß nicht, auf welche Weise Hunde Freundschaft schließen, aber Mek und Don waren so eng befreundet wie Veba und ich.
Zum letzten Mal habe ich die beiden Hunde erlebt, als wir auf die Jahorina fuhren, um dort oben das Jahr 1992 zu begrüßen. Außer Kristina und mir und unseren Freunden, insgesamt zehn Personen, waren auch drei Hunde dabei: Mek, Don und Laki, ein energiegeladener Hund undefinierbarer Mischung, den Guša mitgebracht hatte (er bezeichnete ihn als einen Cocktail Spaniel). In der kleinen Berghütte stolperten wir über die Hunde, die sich oft wegen irgendeiner Sache in die Haare kriegten und von uns getrennt werden mussten. Als wir einmal bis spät in die Nacht Préférence spielten, hatten Guša und ich einen so heftigen Streit, dass die Hunde fast ausflippten – ihr Bellen und unser Gebrüll waren so laut, dass die Wände zitterten. Ich erinnere mich an diesen Moment mit Wärme, weil er die ganze Intensität unseres bisherigen Lebens enthielt. Damals wusste ich nicht, dass die Woche, die wir oben auf der Jahorina verbrachten, so etwas wie eine Abschiedsparty war. Ein, zwei Wochen später verließ ich Sarajevo in Richtung USA . In unsere Berghütte bin ich nie wieder zurückgekehrt.
Kristina und Veba erlebten Mek und Don im April 1992 zum letzten Mal zusammen, als sie mit den beiden in einem Park spazierengingen. In den Bergen oberhalb von Sarajevo wurde geschossen. Ein Flugzeug der jugoslawischen Volksarmee durchbrach über der Stadt die Schallmauer, die Hunde bellten wie verrückt. Kristina und Veba verabschiedeten sich mit einem » Bis später! « , aber bis zu ihrem Wiedersehen sollten fünf Jahre vergehen.
Schon bald folgte Kristina ihrem damaligen Freund nach Belgrad. Meine Eltern blieben noch ein paar Wochen, in denen
Weitere Kostenlose Bücher