Das Buch mit dem Karfunkelstein
nur über Lamberts Gestalt lustig
gemacht! »Und wofür braucht Bruder Melchior das Felsensalz?«, fragte er übermütig.
Gisberts Gesicht verschloss sich sofort wieder. »Das weiß ich nicht«, antwortete er kurz angebunden.
Paul blieb das Lachen im Hals stecken. Alle seine nagenden Zweifel an den Mönchen, auch an Gisbert, waren plötzlich wieder
da. Er musste vorsichtiger sein. Keiner war ihm wohlgesonnen, alle waren immer noch verdächtig. Außer Bruder Gregor vielleicht.
Der würde keine Bücher stehlen, die sowieso in seiner Bibliothek waren. Und er würde niemanden in einen solchen Verdacht bringen!
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Im Kloster erfuhren sie, dass Bruder Melchior in der Kellerei zu finden sei.
Nachdem sie ihm die Kiste mit den Gläsern und das Päckchen Felsensalz gebracht hatten, beeilte Paul sich, zur Kirche zu kommen.
Er wollte sich unter keinen Umständen zur Vesper verspäten. Rasch lief er durch den Gang nach draußen, blieb aber plötzlich
erschrocken stehen.
Worüber erschrickt Paul?
Eine Spur!
Paul war der Schreck in alle Glieder gefahren. Langsam trat er aus der Kellerei, wandte sich nach rechts und ging in Gedanken
versunken an der Kirche vorbei zum Eingang der Mönche. Wer hatte es auf ihn abgesehen? Zuerst war da der Pergamentstreifen
mit der seltsamen Botschaft. Was sie wohl bedeutete? Aber da musste er sich noch gedulden. Er würde erst morgen erfahren,
was Hannes und Agnes herausbekommen hatten. Und jetzt das! Es machte ihn wütend. Irgendjemand hier wollte ihm Angst einjagen.
Warum?
Paul fuhr zusammen, als ihn jemand anstieß und »Ent schuldigung « murmelte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass es fast dunkel geworden war. Am Gästehaus brannten Fackeln und beleuchteten den
Weg zum Seiteneingang der Kirche. Viele Menschen waren plötzlich um ihn herum. Pilger und Gäste des Klosters strömten zur
Vesper ins Kirchenschiff. Das war nicht ungewöhnlich, nur hatte Paul nicht gedacht, dass es schon so spät war. Er beeilte
sich, zum Eingang der Mönche gegenüber dem Haus des Abtes zu kommen.
»Da ist er!«, hörte er jemanden auf halbem Weg rufen und traute seinen Augen kaum.
Vor der Äußeren Schule stand seine ganze Familie. Und Jakob und Hannes waren auch da. Susanna breitete wortlos die Arme aus,
wie sie es immer getan hatte, als er noch klein gewesen war und Trost gebraucht hatte. Und Paul rannte, so schnell er konnte,
zu ihr, obwohl er im Kloster nicht rennen durfte. So glücklich und erleichtert hatte er sich lange nicht gefühlt.
Als Susanna ihren Sohn wieder losließ, drehte Caspar Zwolle ihn an den Schultern zu sich herum.
»Was sind das für Geschichten, Paul?«, fragte er und blickte ihm ernst ins Gesicht. »Du hast unser Buch gestohlen?«
Empört schob Paul die Hände seines Vaters von seinen Schultern weg und richtete sich kerzengerade auf. »Jetzt glaubst du auch
noch, ich wäre ein Dieb! Natürlich habe ich es nicht getan!«, rief er aufgebracht.
Caspar Zwolle drehte sich zufrieden zu seinem Schwager um. »Was habe ich dir gesagt, Josef? Er war es nicht.«
»Das wäre ja auch noch schöner!«, mischte sich Adelgunde ein. »Was würde das für ein Licht auf unsere Familie …«
»Ich habe nie an Paul gezweifelt!«, unterbrach Josef Steinhaus seine Frau, um Caspar zu antworten.
»Wir waren beim Stadtvogt«, berichtete Agnes aufgeregt. »Er war heute Nachmittag mit Vater und Onkel Caspar hier.«
»Der Stadtvogt?«, fragte Paul überrascht. »Aber der kann doch hier im Kloster gar nichts tun!«
»Das hat er auch gesagt«, nickte Agnes. »Der Abt hat ihm die Erlaubnis gegeben, mit seinen Stadtknechten die Gäste und Pilger
zu befragen. Von denen ist aber niemand verdächtig.«
»Nicht im Geringsten!«, bestätigte Josef Steinhaus.
Caspar Zwolle nickte. »Alle Pilger und Gäste konnten genau berichten, wo sie gestern bei der Vesper und heute Morgen vor der
Andacht waren. Sie waren glaubhaft. Es ist nichts zu machen. Sie waren es nicht.«
»Also muss es wirklich einer von den Mönchen sein«, sagte Jakob. »So weit waren wir ja schon, aber jetzt ist es ziemlich sicher.«
Paul blickte sprachlos von einem zum anderen. Bei seinem Weg durch den Wald hatte er natürlich nichts davon mitbekommen, was
seine Familie und seine Freunde unternommen hatten, um ihm zu helfen. Es war ein gutes Gefühl, nicht alleine mit dem Verdacht
zu sein, der auf ihm lastete. Er vergaß fast, wie zornig ihn das alles
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