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Das Buch Ohne Gnade: Roman

Das Buch Ohne Gnade: Roman

Titel: Das Buch Ohne Gnade: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymus , Michael Kubiak
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Bühne stand, mit dem Rücken zum Publikum und dem Orchestergraben direkt vor ihnen. Vor jedem Juror befanden sich ein Glas Wasser sowie ein Schreibstift und ein Schreibblock, falls sie sich irgendwelche Notizen machen wollten.
    Während die Beleuchtung schwächer wurde und der Spotscheinwerfer sich auf ihn richtete, wodurch das Publikum für ihn praktisch unsichtbar wurde, verspürte Luther einen letzten Schub Selbstvertrauen. Es würde unglaublich werden. Dessen war er sich ganz sicher.
    Nachdem er sich kurz vorgestellt und der Showmasterin, Nina Forina, einige allgemeine Fragen beantwortet hatte, wappnete er sich innerlich, gleich mit dem Singen anzufangen. Weitaus nervöser, als er es eigentlich hätte sein müssen, wartete er, bis das Orchester die ersten einleitenden Akkorde anstimmte, holte tief Luft und begann mit der ersten Textzeile von »These Arms of Mine«. Er kam sich seltsam vor, ohne Musikbegleitung vom Band vor einem so umfangreichen Publikum aufzutreten, aber schaffte es. Das Publikum demonstrierte seine unmittelbare Begeisterung, indem es lautstark applaudierte, was sein Selbstvertrauen erst richtig anstachelte. Während der nächsten neunzig Sekunden, bis Powell ihm zurief, er solle aufhören, gehörte die Bühne ihm. Keiner der Sänger, die vor ihm aufgetreten waren, hatte länger als dreißig Sekunden singen dürfen, aber um zu gewährleisten, dass das Publikum sich an Luthers Darbietung erinnerte, war man übereingekommen, dass er länger singen durfte. Als er seinen Auftritt beendete, erhielt er von den Zuschauern Standing Ovations. Eine der Frauen direkt vor der Bühne warf ihm sogar einen viel zu großen weißen Schlüpfer zu.
    Aber es war die Zustimmung der Juroren, die zählte. Die erste Jurorin, die sich zum Gehörten äußerte, war Lucinda Brown, eine erfolgreiche Gesangslehrerin aus Georgia, die im Laufe ihrer Tätigkeit zahlreiche Soulsänger und -sängerinnen ausgebildet hatte. Sie war eine leicht übergewichtige schwarze Frau und trug ein tief ausgeschnittenes gelbes Seidenkleid. Ihr dunkles Haar war zu einem verrückten »Vogelnest« auf ihrem Kopf frisiert. Ihre positivste Eigenschaft war zweifellos ihre natürliche Wärme. Sie wusste wahrscheinlich genau, was die Kandidaten des Wettbewerbs durchmachten, da sie in ihrer Jugend an unzähligen solcher Castings teilgenommen hatte. Ganz sicher war sie von den Juroren die mitfühlendste und schien sofort zu versuchen, Luther ein wenig zu beruhigen.
    »Schätzchen, wie alt bist du?«
    »Ich bin fünfundzwanzig«, antwortete Luther. Er war jetzt nervöser als während der Vorbereitung auf seinen Auftritt. Plötzlich begann ihn die Angst zu quälen, dass er seine Teilnahme am Finale vielleicht als zu selbstverständlich betrachtet hatte. Er begann tiefe Atemzüge zu machen, um sich zu beruhigen, und wartete gespannt auf jede Kritik und jedes Lob für seine Darbietung. Er spürte, wie ein Schweißtropfen an seiner Stirn herabperlte, während er unter den Scheinwerfern zu zerfließen schien, doch er wagte es nicht, sich an den Kopf zu fassen und ihn wegzuwischen. Er konnte sich auf nichts anderes als auf sein Atmen konzentrieren.
    »Söhnchen«, begann die Jurorin im gelben Kleid, »wenn Otis Redding mit fünfundzwanzig genauso gut wie du hätte singen können, kannst du dich darauf verlassen, dass Gott niemals zugelassen hätte, dass er bei diesem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Himmel, war das gut . Wenn der alte Otis uns von oben zuschaut, dann sagt er sicher: ›Lieber Gott, ich wurde wiedergeboren! ‹ « Sie hielt kurz inne, ehe sie hinzufügte: »Das Publikum gehört ganz dir.« Dabei wackelte sie heftig mit dem Zeigefinger der rechten Hand, was nicht nur sie in Stimmung brachte, sondern das Publikum zu lautem Jubel veranlasste.
    Lucindas Lob reichte aus, um die Menge in Raserei zu versetzen. Viele sprangen auf und klatschten aufgeregt. Luther konnte nur erleichtert aufatmen. Er wusste, dass er hervorragend gesungen hatte, aber er wusste auch, dass die Juroren manchmal die reinsten Idioten sein konnten. Er hatte jedoch genau das getan, worum Powell ihn gebeten hatte. Er hatte einen Song dargebracht, so gut er konnte, und es hatte richtig gut geklungen und ausgesehen.
    Na schön – Lucinda, die erste Jurorin, hatte offensichtlich Geschmack.
    Auf zur zweiten.
    Der Mann im weißen Anzug in der Mitte nickte der Frau zu seiner Linken zu, dass sie als Nächste ihre Meinung kundtun solle. Sie war ein Barbiepuppen-Klon Anfang vierzig namens

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