Das Buch Ohne Gnade: Roman
Zögern ergriff Sanchez den linken Arm und zog. »Was tun wir jetzt?«
»Du kennst doch diesen Film Immer Ärger mit Bernie , nicht wahr?«
»Ja.«
»Genau das tun wir auch.«
»Wir nehmen ihn mit zum Wasserskifahren?«
»Nein, du Schwachkopf. Wir tun so, als sei er betrunken und wir würden ihn tragen. Dann legen wir seine Leiche irgendwo ab, wo niemand sie findet. Wenn es keine Leiche gibt, können wir auch nicht beschuldigt werden, ihn ermordet zu haben. Im Augenblick wissen nur diese Sicherheitstypen, die uns gesehen haben, dass er nicht betrunken war oder ist. Wenn wir die Leiche verstecken können, ehe sie uns aufstöbern, erzählen wir ihnen, dass er irgendein Säufer im Fahrstuhl war und im zweiten Stock ausgestiegen ist.«
Sanchez liebte Elvis. Der Plan war ziemlich beschissen, aber er war um einiges besser als alles, was ihm in einer so kurzen Zeit hätte einfallen können. Und da Sanchez im Augenblick an nichts anderes denken konnte, als dem Toten ein paar Ohrfeigen zu versetzen, war es eine Erleichterung zu wissen, dass er alles unter Kontrolle hatte: Elvis war so verdammt cool und geriet nie wegen irgendetwas in Panik. Er war nicht sonderlich clever oder gerissen, aber er war unglaublich selbstsicher und besaß alle Qualitäten eines geborenen Führers. Jeder, den er kennenlernte, erwärmte sich auf Anhieb für ihn und tat alles, um seine Sympathie zu gewinnen. Seine Anerkennung und seine Freundschaft waren die beiden Dinge, die die meisten Leute wertschätzten, und das traf erst recht auf Sanchez zu.
Sobald sie Otis Redding auf die Füße gehievt hatten, legte jeder sich einen seiner Arme auf die Schultern, um den Eindruck eines Betrunkenen zu erwecken, der von zwei Freunden gestütztwird. Es war ein Segen, dass an ihm keine Blutspuren zu sehen waren. Offenbar hatte er nur ein gebrochenes Genick und eine Riesenschweinerei in der Hose. Die Verletzung unterstützte das Bild eines Betrunkenen, denn die leiseste Bewegung von Elvis und Sanchez bewirkte, dass sein Kopf unkontrolliert hin und her schwang. Natürlich landete sein Kopf zuerst auf Sanchez’ Schulter, sodass die blicklosen Augen den Barbesitzer anstarrten. So ein Bastard.
Der Fahrstuhl kam im Parterre an und die Tür öffnete sich mit einem leisen Knirschen. Es klang für Sanchez ohrenbetäubend, und er betete innerlich, dass niemand in der Nähe war. So viel Glück war ihnen jedoch nicht beschieden. Zwei Personen warteten im Flur, ein älteres Ehepaar, beide in den Siebzigern und sehr elegant gekleidet, als wären sie unterwegs zur Kirche. Der Mann trug einen gut geschnittenen grauen Anzug und seine Frau ein konservatives blaues Kleid. Zweifellos war der Aufenthalt für sie eine ganz große Sache, und sie wollten dabei so gediegen wie möglich aussehen. Zuerst reagierten sie geschockt, als sie verfolgten, wie Elvis und Sanchez Otis Redding aus dem Fahrstuhl bugsierten. Die Füße des Toten schleiften über den Fußboden. Als sie an dem Ehepaar vorbeikamen, zwinkerte Elvis der Frau zu.
»Es ist alles okay, Ma’am«, sagte er beruhigend, wobei seine tiefe Stimme seinem freundlichen Lächeln zusätzlich Wärme verlieh. »Er hat ein wenig zu tief ins Glas geschaut.«
Die alte Frau lächelte und sie und ihr Mann unterdrückten ein Kichern, während sie in den Fahrstuhl traten. Sie verfolgten, wie Elvis und Sanchez Otis Redding durch den Korridor schleppten, während sie darauf warteten, dass sich die Fahrstuhltür schloss. Was für ein reizender junger Mann. Und was für ein guter Freund für seinen außer Gefecht gesetzten Gefährten. Dann drang ihnen der Gestank in die Nasen.
Sanchez und Elvis kamen an weiteren Hotelgästen vorbei, als sie den Weg zur Lobby einschlugen. Elvis beeilte sich, allenzu erzählen, dass Otis nur betrunken sei. Es gelang ihm, jeden zu überzeugen, und einige lachten sogar, wenn auch leise, damit sie den Mann, in dem sie einen Otis-Redding-Imitator zu erkennen glaubten, bloß nicht aufweckten.
»Wohin wollen wir denn, Mann?«, fragte Sanchez mit weinerlicher Stimme. »Dieser Kerl ist verdammt schwer!«
»Dort hinein«, sagte Elvis und deutete auf eine Tür auf der rechten Seite des Korridors. Es war eine graue Tür mit einem kleinen Schild, auf dem ein schwarzes Strichmännchen zu erkennen war, das darauf hinwies, dass sie sich in der Herrentoilette befanden. Wie immer konnte Sanchez den Plan hinter dieser Aktion nicht erkennen.
»Was ist? Musst du pinkeln?«, fragte er.
»Nein, Sanchez«, stöhnte sein
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