Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
Mönch, wurde endlich von El Santino durchbrochen. Sein Zeigefinger begann zu jucken, und seine Geduld näherte sich dem Ende.
»Jefe, gib mir den Stein«, befahl er. »Die Sonnenfinsternis hat angefangen. Wirf mir den Stein zu, und ich schwöre, ich gebe dir noch heute Nachmittag hundert Riesen dafür.«
»Von wegen«, sagte Kyle gelassen. »Eine einzige Bewegung, und du bist tot.« Er richtete den Lauf der Pistole auf Jefes Stirn. »Gib mir diesen Stein, und ich lasse dich am Leben. Gib ihn diesem Kerl, und du bist tot. Ich mache keine Witze. Gib ihm den Stein, und du bist tot.«
»Unsinn. Du lässt die Waffe fallen, oder du bist vorher tot«, sagte eine Stimme hinter Kyle. Es war Jessica, und sie zielte mit einer Pistole auf ihn. Direkt auf seinen Hinterkopf, genauer gesagt. Die Mündung war kaum mehr als zehn Zentimeter von seinem Schädel entfernt.
Sanchez wusste, dass die Dinge viel zu weit gegangen waren, um sich noch ohne Gewalt lösen zu lassen. Jeden Moment würde eine der Parteien das Feuer eröffnen. Er machte sich daran, leere Gläser vom Tresen aufzusammeln und sie im Regal unter der Theke zu deponieren, ohne die Augen ein einziges Mal von dem Tisch in der Mitte des Lokals abzuwenden. Je weniger Glas herumstand, wenn die Kugeln durch die Luft flogen, desto besser.
Wer würde als Erster feuern? El Santino aller Wahrscheinlichkeit nach. Er war derjenige, der den blauen Stein so verzweifelt für sich wollte, und er war der Furchtloseste von allen. Er fürchtete sich vor überhaupt nichts. Kugeln prallten von diesem Kerl einfach ab. Es gab Gerüchte, wonach El Santino in der Vergangenheit das Ziel zahlloser Attentatsversuche gewesen und zu mehr als einer Gelegenheit beschossen worden war, doch dieser Kerl, dieser Riese von einem Mann, war einfach nicht gestorben. Er hatte mindestens so viele Leben wie eine Katze.
Natürlich konnte man von Jefe das Gleiche sagen. Er war in mehr Schießereien verwickelt gewesen als John Wayne, wenn die umlaufenden Gerüchte stimmten. Und was sollte Miguel oder Carlito davon abhalten, im Namen ihres Bosses den ersten Schuss abzufeuern? Die Wahrheit war, jeder am Tisch war imstande, den ersten Schuss abzugeben – mit Ausnahme von Jefe, dem Terminator-Typen und Peto, weil diese drei als Einzige nicht bewaffnet waren. Peto schien unbeeindruckt von alledem, doch der Terminator sah aus, als würde er im nächsten Moment in Deckung springen.
Dann brüllte eine Stimme von draußen auf der Straße etwas, das den Ausbruch des Gemetzels eher früher als später wahrscheinlich machte.
»Hey, aufgepasst alle zusammen! Die Sonnenfinsternis! Sie fängt an!«
Wer immer gerufen hatte, es stimmte. Sanchez hatte nicht ein einziges elektrisches Licht in der Bar angemacht, um die Erfahrung der Sonnenfinsternis ungetrübt zu genießen, und inzwischen wurde es merklich dunkler. Wenn der Stein noch vor dem vollständigen Eintreten der Dunkelheit den Besitzer wechseln sollte, musste jemand sehr schnell handeln. Und trotzdem bewegte sich noch immer niemand am Tisch. Tatsächlich stand selbst Sanchez wie angewurzelt an seinem Platz, als sich die Dunkelheit über Santa Mondega auszubreiten begann.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Sanchez, wie Mukka jemandem einen Drink hinschob. Dann, während die Sonnenfinsternis immer vollkommener und Santa Mondega in Dunkelheit getaucht wurde, hörte Sanchez, wie Mukkas Gast die unsterblichen Worte äußerte: »Mach das Glas voll.«
Es war ein Glas Bourbon. Das war Sanchez zuerst nicht bewusst geworden. Er hatte zu viele andere Dinge im Kopf gehabt. Doch sobald er diese Stimme hörte, die diese Worte aussprach, hatte er das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen.
Er kannte die Stimme, keine Frage. Er war so vertieft gewesen in die Vorgänge an El Santinos Tisch, dass er der Gestalt mit der Kapuze keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, die von Mukka bedient worden war. Mit einem Glas Bourbon. Wenn es vorher schon sehr schlimm ausgesehen hatte, sah es jetzt noch viel schlimmer aus.
Bourbon Kid war in der Tapioca Bar.
Und er hatte einen Bourbon getrunken .
Siebenundfünfzig
Die einkehrende absolute Dunkelheit in der Tapioca Bar war der Funke, der das Pulver entzündete. Das Licht wich aus dem Lokal und wurde von dem Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe ersetzt. Ob sie saßen oder standen, ob sie bewaffnet waren oder nicht, die Gäste in der Tapioca Bar warteten still darauf, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, als
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