Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
hinunter, dann schenkte er sich einen weiteren ein. Es war Zeit, die Bar aufzuräumen. Die Cops würden bald kommen und die üblichen Fragen stellen. Besser, wenn er sich gleich daranmachte, die Taschen der Toten zu durchwühlen und zu sehen, ob er Bargeld finden konnte, ehe ihm die Cops zuvorkamen. Er konnte es sich nicht leisten, die Gelegenheit auf mögliche zusätzliche Einnahmen ungenutzt verstreichen zu lassen. Er brauchte das Geld dringend für die Renovierung der Bar.
Er kippte seinen zweiten Bourbon hinunter wie den ersten, dann machte er sich ans Werk.
Als die ersten Streifenwagen mit heulenden Sirenen draußen vor der Bar hielten, hatte er ungefähr zwanzigtausend Dollar in kleinen Scheinen aus den Taschen einiger spezieller Gäste entwendet.
Viele der Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt, was die Sache für sein Gewissen ein wenig erleichterte. Als er zu Jessica kam, zögerte er. Sie war die Frau, in die er in den letzten fünf Jahren heimlich verliebt gewesen war. All die Zeit, die sie im Koma gelegen hatte, hatte er gehofft und gebetet, dass sie irgendwann wieder daraus erwachen und ihm für ihre Rettung danken würde. Wer weiß, vielleicht hätte sie sich genauso in ihn verliebt wie er sich in sie? Doch diesmal war sie definitiv tot. Er prüfte den Puls an ihrem Handgelenk und ihrem Hals. Nichts. Er fand ein nur leicht blutiges gelbes Handtuch auf dem Boden und legte es über das, was von Jessicas Gesicht übrig geblieben war.
Was für eine Verschwendung. Was für eine furchtbare, grauenvolle Verschwendung.
»Und? Eine Überlebende gefunden?«, erkundigte sich eine Stimme hinter ihm.
Sanchez wirbelte herum. Er erkannte den Mann in dem grauen Trenchcoat sofort, der am Tresen lehnte und ihn beobachtete. Es war Detective Archibald Somers, der kaputte alte Bulle, der sein ganzes Leben lang erfolglos versucht hatte, Bourbon Kid zu finden und zu überführen. Wie wenig erfolgreich er in seinen Bemühungen gewesen war konnte man sehr eindrücklich am gegenwärtigen Zustand der Tapioca Bar erkennen.
»Nein. Sie ist tot.«
»Sicher?«
»Ohne Puls und Atmung … wie tot kann man sein? Ich schätze, die hundertdreiundfünfzigste Kugel hat ihr den Garaus gemacht.«
Somers drückte sich von der Theke ab und ging auf Sanchez zu. Unter seinen Füßen knirschte zerborstenes Glas.
»Hey, Sie müssen nicht gleich sarkastisch werden, okay? Wir brauchen eine Aussage von Ihnen. War es wieder Bourbon Kid?«
Sanchez erhob sich und kehrte hinter die Theke zurück, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass Somers das dicke Geldbündel in seiner Gesäßtasche nicht zu Gesicht bekam.
»Ja, wieder Bourbon Kid«, sagte Sanchez müde. »Diesmal hatte er einen jungen Burschen bei sich, der ihm geholfen hat. Er war als Terminator verkleidet. Ich glaube, die beiden haben auch meinen Bruder und meine Schwägerin ermordet. Wahrscheinlich haben sie auch Elvis auf dem Gewissen.«
»Den da?«, fragte Somers und deutete auf den toten Elvis-Imitator beim Eingang.
»Nein, der Typ war nur so dämlich, zur falschen Zeit in den Laden zu kommen.«
»Armer Bastard.«
»Ja. Er und hundert andere. Wollen Sie einen Drink oder nicht, Detective?«
»Sicher. Was haben Sie anzubieten?«
»Bourbon. Sonst nichts.«
Somers stieß einen resignierten Seufzer aus. Bourbon Kid war verschwunden, doch der Bourbon floss noch immer, wie üblich.
»Scheiße. Dann eben Bourbon.«
Der verärgerte Detective ging zu der Stelle, wo Sanchez gestanden hatte, und warf einen Blick auf Jessicas Leiche. Er hob das an, was von einem ihrer Arme übrig geblieben war, und tastete nach dem Puls.
»Mann, ich hab Ihnen doch schon gesagt, sie ist tot !«, rief Sanchez ihm von hinten zu. Er schenkte einen Bourbon in das einzige überlebende Glas – das Glas, aus dem er selbst getrunken hatte.
In diesem Augenblick betrat ein zweiter Bulle, ein Typ in einem glänzenden silbernen Anzug, die Bar und stolperte ungeschickt über den Elvis-Doppelgänger. Es war Miles Jensen, der schwarze Detective von außerhalb. Sanchez hatte ihn ein paar Tage zuvor kennengelernt, als er in die Bar gekommen war und ein paar ziemlich dämliche Fragen über die Morde an Thomas und Audrey gestellt hatte. Der Barmann hatte ihm nichts verraten, und er hatte nicht vor, dies jetzt zu ändern. Er mochte die Bullen nicht, selbst wenn sie ihn in Ruhe ließen, aber neugierige Kerle mit Abzeichen? Dafür hatte er überhaupt keine Geduld.
»Meine Güte, was für eine Sauerei!«,
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