Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
sagte Jensen und richtete sich hastig wieder auf. »Noch ein toter Elvis, hoppla! Scheiße, hat denn heutzutage niemand mehr Respekt vor dem King?«
»Auch einen Bourbon, Detective?«, grunzte Sanchez.
»Was haben Sie sonst noch?«
»Bourbon.«
»In diesem Fall verzichte ich, danke sehr.«
Jensen ging zu Somers, der inzwischen über Jessicas Leiche kauerte. Er erkannte die sterblichen Überreste von Carlito und Miguel inmitten all der Glassplitter und dem Blut, als er auf dem Weg zu seinem Partner über ihre Leichen stieg. Es war eine Genugtuung, sie tot zu sehen, nach allem, was sie am Abend zuvor mit ihm gemacht hatten. Doch jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um darüber zu reflektieren, denn alles sah danach aus, als wären außer den Halunken noch eine beträchtliche Anzahl Unschuldiger in diese traurige Geschichte geraten.
»Lebt sie noch?«, fragte Jensen.
»Nein. Sie ist tot, mausetot. Jeder hier drin ist tot mit Ausnahme von Sanchez«, sagte Somers, indem er sich erhob. »Wir schaffen besser die Spurensicherung herbei. Vielleicht können wir die Stationen in der näheren Umgebung alarmieren und Bourbon Kid schnappen, bevor er zu weit weg ist. Nach Sanchez hat er diesmal einen Komplizen, einen Kerl, der als Terminator verkleidet ist.«
Jensen fing an zu verstehen, wieso Somers die letzten fünf Jahre mit dem Versuch zugebracht hatte, Bourbon Kid festzunageln. Einige der Opfer hatten Familien und hatten es nicht verdient, so zu sterben, nur weil ein Psychopath keinen Alkohol vertrug.
»Ich gehe raus und informiere den Polizeiarzt und die Sanitäter, dass sie reinkommen können.«
»Nein, lassen Sie nur«, sagte Somers, der auf den Leichnam eines Mönchs herabstarrte und dabei leise tsss-tsss machte. »Das übernehme ich. Sie bleiben hier und nehmen die Aussage von Sanchez dem Barmann auf.«
Er ging zur Theke, wo Sanchez das Glas mit Bourbon abgestellt hatte. Er warf einen Blick auf das Glas und verzog das Gesicht.
»Wenn ich es mir genau überlege, verzichte ich wohl auch lieber«, sagte er. »Es wäre wahrscheinlich ein wenig unangemessen im Licht dessen, was sich vor kurzer Zeit hier ereignet hat. Manche Leute würden sagen, es wäre unangemessen, das Zeug überhaupt auszuschenken. Ach so, falls es Sie interessiert – Sie stinken verdammt nach Pisse.«
Somers ging nach draußen und machte weiter jedes Mal leise tsss-tsss, wenn er eine Leiche passierte. Er schien aufs Äußerste angewidert von der furchtbaren Verschwendung von unschuldigen Leben überall ringsum.
Jensen fühlte sich schlecht, weil sie es nicht früher in die Tapioca Bar geschafft hatten. Vielleicht konnte er sich rehabilitieren und Somers damit überraschen, dass er der erste Cop war, der je vernünftige Informationen von Sanchez erhalten hatte. Er nahm einen der Holzhocker vom Boden, streifte die Glassplitter herunter, trug ihn zur Theke und setzte sich darauf.
»Nun, Sanchez«, begann er. »Es stinkt nach Pisse hier drin, meinen Sie nicht?«
»Ja.« Der Barmann zuckte die Schultern. »Brauchen Sie wirklich jetzt sofort meine Aussage?«
»Nein.« Jensen grinste. Vielleicht war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. »Sie können gerne morgen ins Hauptquartier kommen und dort Ihre Aussage zu Protokoll geben, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Danke, Mann.«
»Kein Problem.«
Jensen nahm das verschmähte Whiskyglas von Somers und trank einen Schluck. Der Bourbon war warm und schmeckte, als wäre Sand darin. Das Resultat war definitiv alles andere als belebend.
»Meine Güte! Das Zeug ist ja furchtbar, Mann! Kein Wunder, dass Bourbon Kid jedes Mal durchdreht, wenn er diesen Kram trinkt.«
Er wand sich innerlich, sobald die Worte über seine Lippen waren. Zu spät. Hatte er tatsächlich so eine unsensible Bemerkung von sich gegeben? Selbst an einem Ort wie diesem, wo man über alle Maßen an taktlose Kommentare gewöhnt war, war es höchst unschicklich, so zu reden. Er warf einen Blick zu dem Barmann. Sanchez war allem Anschein nach unbeeindruckt.
»’tschuldigung, Mann«, sagte Jensen. »Dummer Witz.«
»Vergessen Sie’s.«
Jensen wollte nicht länger bleiben als unbedingt nötig, insbesondere nicht, wenn ihm Kommentare von derart zweifelhafter Qualität über die Lippen glitten. Er erhob sich von seinem Barhocker und griff in die Tasche. Sanchez wich nervös einen Schritt zurück.
»Schon gut, Sanchez, keine Angst. Ich will nur meine Geldbörse hervorholen.« Jensen lächelte.
»Lassen Sie stecken, Mann.
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