Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
merkwürdige Dinge gesehen in seiner Zeit hinter dem Tresen der Tapioca Bar , doch er hatte noch nie jemanden gesehen, der sechsunddreißig Schusswunden überstanden hatte, außer vielleicht Mel Gibson in Lethal Weapon 2 .
Im Hinterkopf hatte Sanchez stets insgeheim befürchtet, dass Bourbon Kid eines Tages zurückkehren würde, um erneut zu versuchen, Jessica zu töten. Dieser Tag schien mit zunehmender Wahrscheinlichkeit eher früher als später zu nahen.
Vor fünf Jahren war Jessica in der Stadt aufgetaucht, kurz nachdem zwei Mönche von Hubal ihre Gesichter in der Tapioca Bar gezeigt hatten. Er erinnerte sich, dass sie nach irgendetwas gesucht hatten – irgendeinem wertvollen blauen Stein, den ein Kopfgeldjäger namens Ringo von ihnen gestohlen hatte. Eins war sicher: Dieser Stein brachte seinen Besitzern, so unrechtmäßig sie auch in seinen Besitz gelangt waren, nichts als Ärger. Ringo hatte ihn im Auftrag El Santinos gestohlen, dann aber Probleme gehabt, ihn seinem Boss auch zu übergeben, weil er selbst einen Narren an ihm gefressen hatte.
Dann waren die merkwürdigen Mönche gekommen. Sie wollten den Stein zurück, und obwohl sie sanftmütig erschienen, wären sie über Leichen gegangen, um ihn zu bekommen. Kurz nach ihrer Ankunft in Santa Mondega war die wunderschöne und geheimnisvolle Jessica aufgetaucht. Sie hatte sich in der Tapioca Bar gezeigt und innerhalb der wenigen Tage, die sie dort gewesen war, die Herzen sämtlicher Stammgäste gewonnen. Leider war Bourbon Kid aufgetaucht, bevor irgendjemand eine Chance gehabt hatte, sie näher kennenzulernen. Bourbon Kid hatte sämtliche Gäste der Nightjar Bar niedergemetzelt, einer konkurrierenden Bar, bevor er sich in Sanchez’ Laden auf seiner Suche nach Ringo gezeigt hatte. Kaum angekommen, hatte er auch dort jeden Gast niedergeschossen und nur Sanchez selbst verschont. Ringo hatte mehr abgekriegt als alle anderen. Er war sicher hundert Mal getroffen worden, doch Sanchez erinnerte sich deutlich, dass die arme Seele erst starb, als der Bourbon Kid ihm den blauen Stein vom Hals riss. (Zugegeben, er war ein Krimineller, ein Halunke und Halsabschneider, aber hundert Kugeln oder so sind hundert Kugeln.) Irgendetwas war mit diesem Stein. Wer immer ihn trug, schien auf eine gewisse Weise unbesiegbar zu werden, jedenfalls fast, wie man am Beispiel Ringos sehen konnte. Sanchez verstand nicht, wie das gehen sollte, doch er wusste, dass der Stein die Ursache aller Scherereien gewesen war. Die arme Jessica war lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, draußen auf der Straße, und Bourbon Kid hatte sie beim Verlassen der Tapioca Bar niedergeschossen.
Gerüchten auf der Straße zufolge hatten die Mönche Hubals wenig später Bourbon Kid gestellt und getötet und den blauen Stein wieder an sich genommen, der rechtmäßig ihnen gehörte. Als Sanchez fünf Jahre später erneut zwei Mönche von Hubal in Santa Mondega auftauchen sah, zusammen mit einem gemeinen Kopfgeldjäger namens Jefe, fürchtete er das Schlimmste. Und als er die Farm von Audrey und Thomas erreichte, unmittelbar draußen vor der Stadt, wusste er, dass es richtig gewesen war, das Schlimmste zu fürchten. Es war eingetreten.
Er parkte seinen alten, rostigen VW Käfer vor der Veranda. Die Haustür war praktisch aus den Angeln gerissen. Vielleicht hätte das alleine nicht gereicht, um anzudeuten, dass etwas Schlimmes passiert war. Die Tatsache, dass weder Thomas noch Audrey nach draußen kamen, um ihn zu begrüßen, war der deutlichste Hinweis. Sie ließen das Haus niemals allein. Einer von ihnen kam immer raus auf die lange Veranda aus Holz, wenn sich ein Wagen näherte. Nicht so an diesem Tag.
Er fand ihre Leichen in der Küche. Es war eine große Küche, die zugleich als Esszimmer diente. In der Mitte des in einem Schachbrettmuster gefliesten Raums stand ein großer Esstisch aus Eiche. Normalerweise war die Küche makellos sauber, weil Audrey keinerlei Toleranz gegenüber Unordnung kannte, doch an diesem Tag war überall Blut. Auf dem Boden zu beiden Seiten des Tischs lagen die noch warmen Körper von Audrey und Thomas. Irgendein merkwürdiger Rauch oder Qualm stieg von den blutigen, entstellten Leibern auf. Der Gestank war kaum zu ertragen.
Sanchez hatte einige ziemlich schlimme Dinge gerochen in seinem Leben, nicht zuletzt den Gestank von siebenundzwanzig toten Männern in seiner Bar an jenem Abend vor fünf Jahren, alle vor seinen Augen niedergeschossen von Bourbon Kid, doch nicht
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