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Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name

Titel: Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymus
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einmal das war mit diesem grauenvollen Gestank zu vergleichen. Es war ein ganz anderer Gestank. Es war der Geruch des Bösen. Sanchez fand keine Spuren von Schusswunden, keine Spur von Schnitten oder Stichen, und doch waren Thomas und Audrey völlig entstellt und blutüberströmt. Es sah beinahe so aus, als wären die beiden gestorben, weil sie Blut geschwitzt hatten. Buchstäblich.
    Sanchez war nicht allzu überrascht, seinen Bruder und seine Schwägerin tot vorzufinden. Er hatte seit jenem Tag, an dem er Jessica zu ihnen gebracht hatte, damit gerechnet, ins Haus zu kommen und sie so anzutreffen. Und jetzt war Jessica verschwunden. Entführt. Die geheime, getarnte Tür in der Küche, hinter der die Treppe verborgen gewesen war, die hinauf zu Jessicas Zimmer führte, war geöffnet worden. Sie war nicht eingeschlagen oder in sonst irgendeiner Weise beschädigt, sodass vermutlich nicht von Gewaltanwendung ausgegangen werden konnte. Obwohl Sanchez wusste, dass das Mädchen ganz sicher nicht mehr oben war, verspürte er einen inneren Zwang, die Treppe hinaufzusteigen und sich selbst zu überzeugen. Wenigstens wollte er einen letzten Blick auf das Bett werfen, in dem sie die letzten fünf Jahre gelegen hatte.
    Er ließ sich Zeit mit den Stufen. Er hatte die Treppe noch nie gemocht. Selbst als Kind, als das Haus noch seinen Eltern gehört hatte, hatte er immer Angst davor gehabt, diese Treppe hinaufzusteigen. Die Stufen waren kalt und hart, und die Enge zwischen den Wänden beschwor ein klaustrophobisches Gefühl herauf. Bis heute kam es ihm vor – obwohl es ganz sicher nichts weiter als Einbildung war –, dass die Luft auf dem Weg nach oben dünner und dünner wurde.
    Während er Stufe um Stufe erklomm, lauschte er angestrengt, doch aus dem Zimmer oben drang kein Laut. Wäre etwas zu hören gewesen, konnte es bedeuten, dass Jessica noch dort und am Leben war, obwohl sie immer noch im Koma lag. Andererseits konnte es auch bedeuten, dass der Killer seines Bruders dort lauerte. Erst als er die Tür des Zimmers erreichte, wurde ihm bewusst, wie dunkel es ringsum war. Es gab zwar ein paar Kerzen in Wandhaltern, doch sie brannten nicht oder waren ausgegangen. Außer ein wenig Licht von der Tür am Fuß der Treppe herrschte tiefste Finsternis, und er vermochte nicht viel weiter zu sehen als bis zu seiner ausgestreckten Hand. Inzwischen war ihm übel vor Angst und Aufregung, doch er öffnete die Tür und schob die Hand durch den Spalt, um den Lichtschalter an der Wand zu betätigen. Das Licht blendete ihn für einen Moment, und er blinzelte heftig, um sich daran zu gewöhnen, während er tief durchatmete, um schließlich Jessicas Krankenzimmer zu betreten.
    Wie nicht anders erwartet, war das Zimmer leer – bis auf die riesige Spinne, die über die nackten Dielen auf ihn zugerannt kam. Sanchez hätte sich fast in die Hosen gemacht. Er hasste Spinnen mit aller Inbrunst, und er war sehr erleichtert, als das Tier eineinhalb Meter vor ihm wie erstarrt innehielt, bevor es sich langsam von ihm zurückzog – als wollte es nicht das Gesicht verlieren –, um sich unter dem Bett zu verstecken, in welchem Jessica die vergangenen fünf Jahre gelegen hatte. Es war ein beruhigendes Gefühl zu sehen, dass kein Killer im Zimmer lauerte (außer der Spinne), und es war niederschmetternd zu sehen, dass Jessica ebenfalls nicht mehr da war. Das Bett war unordentlich, doch es gab keine Spuren von einem Kampf, was kaum überraschte. Wie schwierig konnte es schließlich sein, eine Frau zu kidnappen, die im Koma lag, und das seit Jahren?
    Das Geräusch eines startenden Motors draußen vor dem Haus ließ ihn zusammenzucken. Er hatte bei seiner Ankunft keinen zweiten Wagen bemerkt, doch er hatte in dem Moment auch nicht großartig darauf geachtet. Jetzt jedoch stand definitiv ein Wagen draußen, und der Motor klang nicht nach seinem verrotteten alten Käfer. Er klang größer, schwerer. Sekunden später ertönte lautes Reifenquietschen – wer auch immer am Steuer saß, er hatte es verdammt eilig zu verschwinden.
    Weil es in Jessicas Schlafzimmer kein Fenster gab, stürmte Sanchez die schmale Treppe hinunter in der Hoffnung, einen Blick zu erhaschen auf wer auch immer es war, der von der Farm flüchtete.
    Vielleicht saß Jessica in dem Wagen.
    Trotz einer zutiefst misanthropen Sichtweise im Allgemeinen und einer Abneigung, sich in die Scherereien anderer einzumischen, sowie der Angewohnheit, Fremden in seiner Bar zunächst einmal Pisse

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