Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
zärtlichsten Finger auf der Welt.«
Beth starrte auf seine Hände. Er hielt sie ausgestreckt vor sich hin und machte Bewegungen, als streichelte er imaginäre Brüste. Beth war nicht sicher, wie sie reagieren sollte, und versuchte verzweifelt, sich Zeit zu erkaufen für eine Eingebung, wie sie ihm entkommen konnte. Also machte sie sich daran, die blauen Träger ihres Kleids von den Schultern zu streifen. Kione leckte sich unwillkürlich über die Lippen in Erwartung dessen, was als Nächstes kommen würde.
Was dann tatsächlich kam, nachdem der erste Schulterträger gefallen war, war das Geräusch von schweren Stiefeln auf den hölzernen Bohlen des Piers hinter Kione. Zuerst war es nur in seinem Unterbewusstsein, denn seine Lust hatte die Oberhand über seinen Verstand gewonnen. Doch das Geräusch der trampelnden Stiefel wurde lauter und lauter, schneller und schneller, als ihr Besitzer sich mit großer Geschwindigkeit näherte. Kiones Lust behielt die Kontrolle genau eine Sekunde zu lang, bevor seine Instinkte wieder einsetzten. Seine Reaktion jedenfalls kam – als sie kam – zu spät.
Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um eine Vogelscheuchenfaust auf sich zufliegen zu sehen, die ihn mitten auf die Nase traf. Er fiel rückwärts gegen Beth, die kreischend zur Seite sprang, so dass der Vampir krachend auf den Bohlen landete. Während Beth ihr Kleid zurechtrückte und den Träger wieder überstreifte, sah sie JD , der aus weit aufgerissenen Augen auf seine eigene Faust starrte, nicht wenig verblüfft angesichts dessen, was er soeben damit angestellt hatte.
Von den dreien war Kione derjenige, der sich am schnellsten fasste. Er sprang auf die Beine, kaum eine Sekunde nachdem er zu Boden gegangen war. Beth nahm dies als ihr Zeichen, Fersengeld zu geben und den Pier hinunter in Richtung Promenade zu rennen. Sie rannte an dem Vampir vorbei und an JD , die beide zu sehr damit beschäftigt waren, sich voreinander aufzubauen, um ihr Beachtung zu schenken. Ihre blöden roten Schuhe waren nicht zum Rennen über Holzbohlen mit Lücken dazwischen geschaffen, und sie wusste, dass sie immer nur einen winzigen Schritt davon entfernt war hinzufallen.
Sie hatte die Hälfte der Strecke über den Pier zurückgelegt, bevor sie innehielt. Was ist mit JD ? Kommt er hinterher? Oder ist er stehen geblieben und kämpft allein mit dem Vampir?
»Aua!« Ihre Antwort kam, als sie Kione in einer Mischung aus Schmerz, Wut und Frustration aufschreien hörte. Sie drehte sich um und sah den Vampir auf den Knien, nachdem er einen weiteren heftigen Treffer an irgendeiner empfindlichen Stelle seiner Anatomie hatte einstecken müssen. Er rappelte sich wieder hoch, diesmal langsamer als zuvor, und Beth sah, wie JD die geballte Faust von oben auf den Schädel des Vampirs hämmerte. Dann regneten Hiebe nur so auf den am Boden kauernden Perversen herab.
Keine Minute später lag Kione auf dem Rücken, hielt die Hände erhoben und jammerte um Gnade.
»Bitte, es tut mir so leid! Ich wollte ihr doch gar nichts tun! Es war nur ein Spiel! Ehrlich.«
JD trat misstrauisch zurück und ließ den betretenen Vampir aufstehen.
»Mach, dass du verschwindest, du elendes Stück Dreck«, befahl JD .
Kione senkte den Kopf wie ein böser Schuljunge, der eine Strafpredigt wegen schlechten Benehmens während des Unterrichts entgegennahm. JD musterte ihn verächtlich, dann drehte er sich nach Beth um.
»Alles in Ordnung?«, rief er.
» PASS AUF !!!«, schrie Beth anstatt einer Antwort. Kione hatte nur geblufft in der Hoffnung, dass JD für eine Sekunde seine Deckung fallen lassen würde. Und genau das hatte der Junge getan. Der Vampir ergriff seine Chance und sprang seinem Gegner mit entblößten Fängen an die Kehle.
Oder besser, er versuchte es.
Der junge Mann in der Vogelscheuchenverkleidung verfügte über atemberaubende Reflexe, und Beth hatte ihren Schrei noch nicht beendet, da wirbelte er bereits wieder herum und hämmerte seinem Angreifer eine Faust gegen die Schläfe. Für einige Sekunden rangen die beiden Kontrahenten miteinander, und jeder bemühte sich nach Kräften, die Oberhand zu gewinnen. Beth beobachtete den Kampf voller Entsetzen. Im einen Moment schien es, als würde JD den Vampir besiegen, doch schon im nächsten hatte Kione sich wieder in eine überlegene Position zurückmanövriert. Schließlich, nachdem Kione all seine Tricks und Finten durchprobiert hatte, ohne einen einzigen Biss in JD s Fleisch zustande gebracht zu haben,
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