Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
packte JD den Untoten und schleuderte ihn gegen das morsche Geländer, das sich auf der einen Seite des Piers entlangzog. Dann packte er den schwächer werdenden Vampir bei der Kehle und drückte ihm die Luft ab.
Kione ächzte panisch und sah JD flehend in die Augen.
»Bitte!«, stöhnte er. »Nicht …«
Seine Stimme klang schwach, und sein Gesicht wurde rasch dunkler. JD sah ihm in die verzweifelten Augen und lockerte seinen Griff gerade weit genug, damit Kione einmal Atem schöpfen konnte.
»Bitte … bring … mich … nicht … um«, ächzte der Vampir. »Ich bin schon einmal gestorben … vor vielen Jahren. Bitte, ich will das nicht noch einmal durchmachen. Bitte, lass mich. Ich verschwinde von hier. Ich verspreche es.«
Mit grimmiger Miene drückte JD noch einmal zu, während er zusah, wie das Leben aus seinem untoten Feind wich. Doch ein Leben zu nehmen war nicht einfach, selbst wenn dieses Leben rein technisch betrachtet gar nicht mehr existierte. Beispielsweise musste er zur Beichte gehen. Und so lockerte JD in einem Moment des Mitleids, das Kione sicherlich nicht verdiente, seinen furchterregenden Griff um den Hals der Kreatur.
»Verschwinde von hier. Und komm nie wieder zurück«, schnappte er voller Abscheu.
Der Vampir benötigte keine weitere Aufforderung. Im nächsten Moment war er in die Luft gesprungen und in der Dunkelheit verschwunden.
Beth stürzte zu JD , der ein wenig atemlos war nach seinem Kampf mit der Kreatur der Nacht.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie zwei Meter vor ihm, wo sie stehen blieb, um ihm Luft zum Atmen zu lassen und um sich zu strecken.
»Ja, alles in Ordnung«, antwortete er, während er mit einer Hand seinen Hals nach Bisswunden abtastete. »Abgesehen von der Tatsache, dass ich gerade einen Kampf mit einem Vampir hatte, der nach allem, was man weiß, ein Fantasiewesen ist, ist alles in bester Ordnung. Wie steht es mit dir? Hat er dir irgendetwas angetan, bevor ich hier war?«
»Nein. Aber ich denke, ich wäre tot, wenn du nicht gewesen wärst. Wieso wusstest du, dass ich Hilfe brauche? Wieso bist du zurückgekommen?«
»Ich wusste es nicht. Ich bin zurückgekommen, weil ich etwas vergessen hatte.«
Er trat einen Schritt vor und streckte die Hand nach Beth aus. Sie verspürte kein Bedürfnis zurückzuweichen, wie es noch eine Stunde zuvor der Fall gewesen wäre, hätte ein Junge versucht, sie anzufassen. Stattdessen gestattete sie ihm, ihr das Haar über die Schultern nach hinten zu streichen und ihren Hals nach Spuren von Blut oder Bissen abzusuchen.
»Was hast du vergessen?«, fragte sie.
Er streichelte ihren Hals, während er nach Wunden tastete, doch er blickte ihr geradewegs in die Augen.
»Das«, sagte er, indem er sich vorbeugte und sie auf den Mund küsste. Beth war noch niemals von einem Jungen geküsst worden, und obwohl sie überrascht war und sich ein wenig überrumpelt fühlte, war es eine warme, aufregende Empfindung, die jeden Nerv in ihrem Körper zum Schwingen brachte. Sie erwiderte seinen Kuss ohne Zögern und ließ sich trotz ihrer Unerfahrenheit von ihren natürlichen Instinkten leiten. Was ihren ersten Kuss betraf, so war er genau das, was sie sich immer erträumt hatte.
Nach einer gut zehn Sekunden währenden Umarmung, die Beth die Schrecken ihrer erst wenige Augenblicke zurückliegenden Prüfung vergessen machte, trat JD zurück und lächelte sie mit diesem frechen, selbstsicheren, schrägen Grinsen an, das sie von Mal zu Mal mehr liebte.
»Komm, bringen wir dich weg von hier«, sagte er.
Er nahm sie bei der Hand, und sie spazierten zum landseitigen Ende des Piers. Die Luft wurde kälter und der Nachthimmel dunkler, als die Gewitterwolken von der anderen Seite der Stadt über die Promenade heranzogen. Draußen im Hafen wurden die Wellen höher, als sich der unausweichliche Sturm zusammenbraute.
Beth und JD waren so ineinander vertieft, dass keiner von beiden das aufziehende Unwetter bemerkte. Erst die einsame Gestalt, die sie am Ende des Piers erwartete, war imstande, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Es war die Gestalt einer Frau mittleren Alters, ganz in Schwarz gekleidet, mit weißem Haar, die aus der Ferne sehr hässlich aussah. Was nicht besser wurde, je näher die beiden kamen.
»War das wieder der gottverdammte Vampir da draußen?«, fragte sie mit einer Krächzstimme, die genauso hässlich war wie ihr Gesicht.
»Ja, ich denke schon«, antwortete JD .
»Elender Mistkerl«, schnaubte die Frau. »Er treibt sich seit Monaten
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