Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
attraktiver Typ. Er hatte lange schwarze Haare und einen extrem gepflegten Kinnbart. Sein Geschmack für Kleidung war ausgeprägt, denn an diesem Abend trug er einen schicken schwarzen Anzug mit einem perfekt gebügelten schwarzen Hemd darunter. Seine Augen jedoch waren mit großem Abstand das charakteristischste Kennzeichen. Sie wechselten unablässig zwischen drei verschiedenen Farben. Es erschien wie eine optische Täuschung, denn wie eine rotierende Discokugel wechselten sie von Gold über Schwarz nach Silber und wieder zurück, unablässig im Wechsel. Es hatte eine hypnotische Wirkung, ihm zu lange in die Augen zu sehen, und es half ihm, jegliche weibliche Gesellschaft anzuziehen, die er zu bewältigen imstande war. Er hatte herausgefunden, dass er unauffälliger war, wenn er eine Sonnenbrille trug, weil er sich dann mit jemandem unterhalten konnte, ohne ihm Angst zu machen oder ihn zu hypnotisieren. Und so waren coole Sonnenbrillen zum Symbol des Clans geworden.
Fritz und Déjà-Vu hatten auf der anderen Seite des Tisches gestanden und Vanity bei seinem Stoß zugesehen. An der rückwärtigen Wand des Saals gab es eine lange Theke, hinter der ein Barmann Cocktails für Moose und Cleavage mixte. Die beiden weiblichen Vampire hatten von Silence Geld bekommen, um Drinks zu kaufen. Der stillste aller Vampire war nirgendwo zu sehen – er hatte sich gegenwärtig auf die Toilette im hinteren Teil des Saals verzogen.
Dante und Obedience torkelten fröhlich zum Pool-Tisch, verfolgt von einer kleinen Schar ungleicher Gestalten. Es waren die Leute, denen sie auf der Treppe begegnet waren und die sich das bevorstehende Schauspiel nicht entgehen lassen wollten.
Als Dante und Obedience Cleavage und Moose an der Theke passierten, stieß die pneumatische Brünette einen spitzen Schrei aus, der in etwa klang wie: » O mein Gott! Das ist gar nicht gut …! «
Als sie keine zwei Meter mehr vom Billard-Tisch entfernt waren, warf Vanity seinen Stock zu Boden. »Was zum Teufel hast du getan!«, brauste er auf und starrte Obedience an.
Der englische Vampir wurde ein wenig nüchtern. Er sah ein bisschen aus wie ein ungehorsamer Welpe, als er seinem Boss auf die Füße starrte. »Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«, schnarrte Vanity.
Dante hatte von der ernsten Verstimmung Vanitys bisher nichts gemerkt. »Hi, ich bin Dante, und du bist sicher Vanity, alter Knabe, oder wie?«, sagte er und streckte seine Hand aus.
Der Anführer des Clans richtete seine Aufmerksamkeit auf das potentielle neue Mitglied seiner Truppe. Er musterte Dante von oben bis unten mit einem Blick, der erahnen ließ, dass ihn das, was er sah, nicht im Mindesten erfreute. »Bist du verantwortlich für diese Sauerei?«, herrschte er Dante an. Seine Stimme ließ den Boden erzittern und ernüchterte Dante von einer Sekunde zur anderen, wenn auch nicht für lange. Leise dämmerte ihm, warum der Boss so wütend auf ihn war.
» WAsss zum Teufel iSSst dasss ?«, dröhnte Fritz’ normale Sprechstimme durch den Raum, als er und Déjà-Vu hinter Vanity traten und Obedience anstarrten.
Vor knapp einer Stunde hatte Dante einen furchtbaren Fehler begangen. Nachdem er und Obedience sich bis zum Kragen hatten volllaufen lassen, waren sie auf die Idee gekommen, sich jeder ein Tattoo stechen zu lassen. Dante hatte sich den Namen Kacy über ein hellrotes Herz auf dem rechten Oberarm ausgesucht, doch davon war unter seinem schwarzen Ärmel naturgemäß nichts zu sehen. Ganz im Gegensatz zum Tattoo von Obedience, das all die ungläubigen Blicke anzog.
Irgendwie war Dante nicht ganz mit der Tatsache zurande gekommen, dass Obedience getreu seinem Namen immer tat, was man von ihm verlangte, ganz gleich, wie verrückt das Ansinnen sein mochte. Er war außerdem nicht vertraut mit dem ungeschriebenen Gesetz unter den Vampiren, dass Obediences Bereitwilligkeit, anderen zu Gefallen zu sein, nicht ausgenutzt werden durfte. Dieses Gesetz hatte Dante gebrochen. Er hatte nicht eine Sekunde lang geglaubt, dass Obedience mitmachen würde, als er seinem neuen Vampirfreund ein Tattoo quer über die Stirn vorgeschlagen hatte. Genau das war es, was nun jedermanns entsetzte Blicke auf sich zog. Der schnell nüchtern werdende Obedience stand wie ein begossener Pudel neben Dante mitten in der Halle und hatte in großen grünen Buchstaben quer über die Stirn das Wort » Cunt « eintätowiert.
Einen furchtbaren Moment lang herrschte eine grauenvolle, erschreckende Stille. Sie
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