Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens

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Kinder hatten sie den ganzen Tag in dem Haus an der spanischen Küste verbracht. Dr. Pym hatte ihnen erklärt, dass es in Malpesa vor Spionen des grässlichen Magnus nur so wimmelte und sie es nicht riskieren konnten, die Stadt bei Tag zu betreten. Die Kinder hatten behauptet, dass sie sich um die Gefahr nicht scheren würden und sie Kate und ihre Eltern so schnell wie möglich finden wollten. »Das mag wohl sein«, hatte der Zauberer erwidert, »doch ich habe meine Gründe, warum wir bis zur Dunkelheit warten.« Weitere Erklärungen hatte er verweigert und zu guter Letzt hatten Michael und Emma den Tag damit verbracht, lustlos die Klippen und den nahe gelegenen Strand zu erkunden, während die Sonne wie eine Schnecke ihre Bahn am Firmament zog.
    Der Zauberer war den ganzen Nachmittag lang fort gewesen. Nach Einbruch der Dunkelheit kehrte er zurück, beladen mit dicken Hosen und Hemden, Pullovern, Mänteln, Wollsocken und Stiefeln, die den Kindern überraschend gut passten. »Es ist immer noch Winter in Südamerika«, sagte er. »Wir müssen uns dementsprechend kleiden.«
    Mit Hilfe des goldenen Schlüssels und nach einer letzten Warnung, dass die Kinder seine Anweisungen genau befolgen müssten, hatte Dr. Pym sie durch die Küchentür in ein anderes Land geführt.
    Und es war keine Minute vergangen, da begegneten sie dem Troll.
    Während nun die Schritte des riesigen Wesens verklangen, forderte der Zauberer die Kinder auf, ihm zu folgen und bog in eine schmale Gasse ein.
    Michael zögerte.
    Die Sonne war schon gesunken, aber es war immer noch hell genug. Was er sah, war eine Stadt aus der Kolonialzeit. Die Straßen waren gepflastert und von drei- oder vierstöckigen Häusern mit rot gedeckten Dächern und ausgedehnten Arkaden gesäumt. Über das Nest aus Häusern erhob sich ein halbes Dutzend Türme. Links von Michael führte die Straße zu einem Hafen, wo etliche Fischerboote vertäut lagen. Ihre schwarzen Netze waren zum Trocknen an die Masten gehängt worden, was den Schiffen ein geisterhaftes wie auch elegantes Aussehen verlieh. Sie wirkten ein bisschen wie eine Gruppe trauernder Witwen. Neben den Booten lagen Wasserflugzeuge, die sanft auf den Wellen schaukelten. Dahinter erstreckte sich die blauschwarze Fläche des Meeres. Als Michael den Kopf in die andere Richtung drehte, sah er, dass die Stadt von hohen Bergen eingefasst war, deren Hänge schneebedeckt waren und deren Gipfel bis in die Wolken ragten.
    Er war wie verzaubert: würdevolle alte Gebäude, eine herrliche Umgebung, und wenn man aus der Haustür trat, konnte man jederzeit einem Zauberer begegnen. Oder einem Zwerg!
    Den Troll und seine Angst vor dem riesigen Monstrum hatte Michael bereits vergessen.
    Ich bin zu spät geboren worden, dachte er und gestattete sich einen melancholischen Seufzer.
    »Michael!«, hallte Dr. Pyms Stimme die Gasse hinunter. »Bitte nicht trödeln!«
    Der Zauberer führte sie durch eine Reihe verwinkelter Sträßchen. Die Pflastersteine waren hier und da mit Eis überzogen. Sie kamen an Restaurants und Ladengeschäften vorbei – Lebensmittelläden, Bekleidungsgeschäfte, Kaufhäuser –, wie man sie in jeder beliebigen Stadt der Welt fand, und daneben gab es Gasthäuser, an denen Schilder mit der Aufschrift »Wir haben Zwergenbetten!« hingen, und Läden, die Zaubersprüche für Seefahrer verkauften – Schutzzauber gegen Ertrinken und Beschwörungen für gutes Wetter, sogar ein Trank, der einen befähigte, mit Walen zu sprechen.
    Sie sahen dick eingemummte Männer und Frauen, die durch die Geschäfte schlenderten, und Zwerge, gekleidet in schwere dunkle Mäntel und Wollmützen mit langen Troddeln, die seelenruhig ihre Tonpfeifen schmauchten.
    Sie gingen über unzählige Kanäle überspannende Brücken. Es waren so viele, dass es den Anschein hatte, die Stadt läge nicht auf dem Land, sondern mitten im Meer. Die meisten Kanäle waren nur wenige Meter breit, aber plötzlich weitete sich die Straße und gab den Blick frei auf einen breiten Strom, gesäumt von stattlichen, mit Säulen geschmückten Gebäuden, von denen viele schon bessere Tage gesehen hatten. Die Nacht hatte sich über Malpesa gesenkt und die Lichter spiegelten sich im dunklen Wasser wider. Männer fuhren auf schmalen schwarzen Booten über den Kanal und riefen einander zu. Ihre Stimmen warfen ein Echo, während sie unter den Steinbrücken hindurchsteuerten.
    »Hier sieht es aus wie in Venedig«, bemerkte Dr. Pym. »Nur dass es keine Touristen