Das Buch Rubyn
er einfach weiterlaufen und sie in einem Labyrinth aus Grabsteinen allein lassen würde.
»Dr. Pym«, versuchte er es noch einmal, »was machen wir hier?«
»Und könnten Sie vielleicht ein bisschen langsamer gehen?«, ergänzte Emma. »Ihre Beine sind hundertmal länger als meine.«
»Ich bitte um Entschuldigung. Und ich denke, dass es tatsächlich Zeit ist, euch zu erklären, warum ich euch an diesen unangenehmen Ort gebracht habe. Ihr erinnert euch doch an den Brief, den Dr. Algernon gefunden hat, nicht wahr? Natürlich erinnert ihr euch: an die Geschichte des Schweinehändlers, der dem Mann mit dem hohen Fieber begegnete, der ihm von einem magischen Buch erzählte, das man vor langer, langer Zeit aus Ägypten weggeschafft hatte.«
»Ja, und er wollte eine Karte zeichnen«, sagte Michael und huschte an einem Grab vorbei, aus dem ein dumpfes, ersticktes Gurgeln drang. »Der Kranke, meine ich.«
»Ganz richtig, mein Junge. Was wir nicht wissen, ist, was danach geschah. Starb der kranke Mann? Hat er noch eine Karte anfertigen können? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Fantasie spielen zu lassen.« Er blieb stehen und las die Inschrift auf einem Grabstein. Dann ging er in eine andere Richtung weiter. »Also, wenn sich der Kranke erholt und Malpesa verlassen hat, dann haben wir keine Möglichkeit, ihn oder seine Karte zu finden. Er hätte überall hingehen können, und wer weiß, welches Schicksal ihn ereilt hat. Aber nehmen wir einmal an, dass der Mann wirklich sehr, sehr krank war. Nehmen wir an, er ist in Malpesa gestorben. Wenn das der Fall war, wurde er auf dieser Insel bestattet.«
»Und Sie glauben, dass die Karte mit ihm vergraben wurde?«, fragte Emma und fügte dann hinzu: »Sie gehen übrigens immer noch viel zu schnell.«
»Genau das glaube ich. Und ich vermute, dass auch eure Eltern diesen Gedanken hatten.«
»Okay«, nickte Michael. »Aber wir kennen noch immer nicht seinen Namen. »Wir können doch nicht anfangen, die Gräber aufzubuddeln, bis wir ihn gefunden haben.«
»Ja, das würde ewig dauern«, sagte Emma.
»Und außerdem wäre es verwerflich«, ergänzte Michael.
»Ja«, sagte Emma, ohne rechte Überzeugung. »Das außerdem.«
Michael ärgerte sich, dass Dr. Pym ihm nicht schon früher von seinem Vorhaben erzählt hatte. Michael hätte ihnen allen viel Zeit und Mühe sparen können, indem er auf die augenfälligen Probleme hingewiesen hätte, wie etwa die Unmöglichkeit, das Grab eines Namenlosen zu finden, der vielleicht vor Hunderten von Jahren gestorben war – vielleicht aber auch nicht. Als ältester anwesender Wibberly hatte er wohl das Recht, an allen Planungsaktivitäten beteiligt zu –
»Ich glaube, hier ist es«, sagte Dr. Pym.
»Was?«, fragte Michael.
»Das Grab. Ich glaube, dies ist das Grab, das wir suchen.«
Der Zauberer stand vor einem rechteckigen Sarkophag. Er war knapp drei Meter lang, einen Meter breit und etwa einen Meter zwanzig hoch. Michael konnte keinen Unterschied zwischen diesem Grab und den anderen sehen, an denen sie vorbeigekommen waren.
»Das war ja leicht«, bemerkte Emma.
»Aber«, wandte Michael ein, »woher wollen Sie das wissen?«
»Die Gebiete auf dieser Insel wurden zu unterschiedlichen Zeiten erschlossen. Der Brief des Schweinehändlers datierte aus dem letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts. Das würde bedeuten, dass unser Verstorbener in diesem Areal hier bestattet wurde.« Der Zauberer beschrieb mit seinem Arm einen Halbkreis. »Ich dachte, wir müssten eine Weile suchen, aber wie es scheint, haben wir Glück.«
»Aber woher wollen Sie wissen, dass dies sein Grab ist?«, bohrte Michael nach. »Wir wissen doch immer noch nicht, wie er hieß.«
»Mein Junge«, sagte der Zauberer. »Ich brauche seinen Namen nicht. Wir haben doch dies hier.«
Er bedeutete ihnen, näher zu treten. Und dort, eingemeißelt in der Mitte des steinernen Deckels, befanden sich unter einer Glasur aus Eis drei ineinander verschränkte Kreise. Michael zeichnete dieses Symbol später in sein Notizbuch.
»Was ist das?«
»Es ist etwas, das ich seit zweitausend Jahren nicht mehr gesehen habe«, antwortete der Zauberer. Er streckte die Hand aus und fuhr die Kreise mit dem Zeigefinger nach. »Vor langer Zeit, lange bevor Alexander der Große Rhakotis angriff und dafür sorgte, dass die Chroniken vom Anbeginn in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurden und verloren gingen, wurden die Bücher unter einem Turm mitten in der Stadt aufbewahrt. Die
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