Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Verteidigung der Stadt beizutragen. »Ich muss zu Chaya! Jetzt gleich!«
»Nur über meine Leiche«, gab der andere kopfschüttelnd bekannt und trat noch einen Schritt vor.
»Ich will nicht mit dir kämpfen, heute so wenig wie in jener Nacht im Lager.«
»Das wundert mich nicht. Dein Mut mag ausreichen, um eine unschuldige junge Frau zu schwängern, aber nicht, um dich wie ein Mann zum Kampf zu stellen!«
» Ich will zu Chaya«, beharrte Conn, die Beleidigung geflissentlich überhörend. »Alles andere ist mir gleichgültig.«
»Ich sagte es dir schon einmal – sie will dich nicht sehen.«
»V erdammt, Caleb.« Von jenseits des Judenviertels brandete lautes Gebrüll heran, Hufschlag auf steinernem Pflaster war zu hören. »Es geht längst nicht mehr um das, was wir tun wollen! Chaya muss in Sicherheit gebracht werden, jetzt gleich!«
»Du wagst es?«, fuhr Caleb ihn mit zorngeweiteten Augen an. »Du wagst es, dich als ihr Retter aufzuspielen? Ausgerechnet du?«
»Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe. Aber ich will, dass Chaya lebt. Du nicht auch?«
Caleb spuckte verächtlich aus. Aber man konnte sehen, dass Conns Worte nicht ungehört verhallten.
»Ihr alle solltet fliehen«, wandte sich Conn an Calebs Leute. »W erft eure Waffen weg und versteckt euch, denn die Männer, die auf dem Weg hierher sind, kennen kein Erbarmen. Ihr werdet sie nicht aufhalten können und einen sinnlosen Tod sterben.«
Er war nicht sicher, ob die jungen Männer aus Antiochia verstanden, was er sagte, aber der heisere Klang eines Kriegshorns, das jenseits der Häuser erklang, sprach eine allgemein verständliche Sprache. Die Entschlossenheit in den Gesichtern bröckelte. Einige der Bewaffneten wollten die Flucht ergreifen, aber Caleb ließ sie nicht.
»In einer aussichtslosen Lage aufzugeben ist kein Zeichen mangelnden Mutes, sondern von Besonnenheit«, sagte Conn. Waffengeklirr war zu vernehmen, begleitet von fürchterlichen Schreien. Daraufhin ließen die ersten von Calebs Leuten die Waffen fallen und wandten sich zur Flucht, auch ihr Anführer konnte sie jetzt nicht mehr zurückhalten. Einer nach dem anderen rannte davon, bis Caleb zuletzt allein vor Conn und Remy stand.
»Nun?«, fragte Conn ungerührt. »Muss ich dich mit der Klinge an der Kehle dazu zwingen, mich zu Chaya zu führen?«
D er Jude stand vor ihm, das alte Schwert in der Hand, und schien tatsächlich zu überlegen, ob er kämpfen oder sich Conns Willen fügen sollte. Schließlich obsiegte sein Verstand. Er ließ die Waffe sinken, wandte sich verdrießlich ab und huschte davon. Conn und Remy folgten ihm, und das keinen Augenblick zu früh. Denn kaum waren sie in eine Seitengasse abgebogen, langte eine Abteilung schwer gepanzerter Flamen auf dem Marktplatz an, der unter dem Hufschlag ihrer Pferde und dem heiseren Kriegsruf erzitterte.
»Deus lo vult« – Gott will es.
Conn wusste nicht, wohin Caleb sie führte.
Die Gassen des jüdischen Viertels waren so eng und verwinkelt, dass er schon nach kurzer Zeit die Orientierung verloren hatte, anders als Caleb, der die Gegend offenbar wie seinen Rock kannte.
Durch einen Säulengang gelangten sie auf eine schmale Straße und von dort zum Hintereingang eines Hauses. Caleb klopfte an, wartete dann einen Augenblick und klopfte nochmals. Daraufhin wurde die Tür entriegelt und einen Spaltbreit geöffnet. Caleb flüsterte einige Worte, worauf die Tür ganz aufschwang und er eintreten durfte.
Conn folgte ihm auf dem Fuß, ebenso wie Remy, der sich bücken musste, um den niedrigen Sturz zu passieren. Ein ältlich aussehender Mann, wohl der Hausverwalter, erwartete sie auf der anderen Seite, der die voll gerüsteten Kämpfer entsetzt anstarrte. Conn schob daraufhin das Schwert in die Scheide zurück und forderte Remy auf, es ihm gleichzutun. Der Normanne gehorchte, machte aber keine Anstalten, die Gesichtsschürze zu lösen.
Caleb forderte sie auf, mit ihm zu kommen. Durch einen Innenhof, dessen sprudelnder Brunnen ein seltsam unpassendes Bild des Friedens bot, ging es zu einer Treppe, die in den ersten Stock des Hauses führte. Dort befand sich eine Tür, an die Caleb wiederum klopfte. Eine fragende Stimme erklang, d ie Tür wurde geöffnet – und Conn stand Chaya gegenüber, zum ersten Mal nach jener gemeinsamen Nacht.
Acht Monate waren seither vergangen, und man hätte annehmen sollen, dass sie sich wie Fremde gegenüberstanden.
Aber das war nicht der Fall.
»Conn«, flüsterte Chaya nur.
Kein Wort
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