Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
unsere Zwecke einzusetzen. Einmal ist es gutgegangen. Ein zweites Mal werde weder ich noch die Bruderschaft dieses Risiko eingehen.«
»W eshalb nicht? Was fürchtet Ihr?«
»W as ich fürchte?« Eustace lachte freudlos auf. »Entde c kung natürlich, was sonst? Was, glaubt Ihr wohl, geschieht, wenn die Täuschung bekannt würde?«
»W ir würden brennen«, entgegnete Eleanor ungerührt. »Aber ich glaube nicht, dass es das ist, was Euch daran hindert. Ihr fürchtet vielmehr, dass Guillaume Euch an Einfluss überflügeln könnte, nicht wahr? Und hier ist es nun, wo seine und Eure Zukunft und die der Bruderschaft einander berühren.«
»Bei allem, was Ihr sagt, solltet Ihr nicht vergessen, dass ich die Bruderschaft der Suchenden gegründet habe, Mylady. Ich bin ihre Zukunft!«
»Meint Ihr?« Sie nahm einen Schluck Wein, und der Blick, den sie ihm über den Becher hinweg sandte, hatte etwas Herausforderndes. »Ich würde Euren Standpunkt teilen, wenn Ihr bereit wärt, Euch für die hohen Ziele einzusetzen, die Ihr Euch gegeben habt – aber das seid Ihr nicht. Letzten Endes ist Euch an Eurem eigenen Wohl mehr gelegen als an der Bruderschaft, das habt Ihr schon einmal bewiesen.«
»Mylady!« Zorn schoss Eustace in die Adern. Geräuschvoll stellte er den halb geleerten Becher auf den Tisch zurück. »V iele Ritter, auch die tapfersten, haben während der Belagerung Antiochias Schwäche gezeigt, das könnt Ihr mir nicht vorwerfen. Und was Bartholomaios’ Glaubwürdigkeit betrifft, so traue ich ihr nicht mehr.«
»W eshalb nicht? Adhémar von Le Puy kann sie nicht mehr untergraben.«
»Der Bischof ist tot, das ist wahr. Aber sagt Euch der Name Arnulf von Rohes etwas?«
Eleanor hob die schmalen Brauen. »Der Prediger Herzog Roberts von der Normandie?«
»Ebenjener. Im Gegensatz zu Le Puy erfreut er sich bester Gesundheit, und er lässt keine Gelegenheit aus, an der Echtheit der Lanze zu zweifeln und den Herzog gegen uns aufzubringen. Wie wird er wohl auf neue Voraussagen von Bartholomaios reagieren?«
» Darüber zerbrecht Euch nicht den Kopf«, beschwichtigte Eleanor und leerte ihren Becher. »W ie leicht könnte auch ihm etwas zustoßen, ebenso wie seinem Herzog?«
»Mylady!«
»W as denn, das erschreckt Euch?« Sie lächelte. »Gedanken wie diese sollten Euch aber nicht erschrecken, denn genau sie sind es, die den Anführer vom Untertan unterscheiden. Und Ihr, mein Freund, seid nichts als ein Untertan. Ein edler Untertan, gewiss. Aber dennoch nur ein Untertan.«
»Glaubt Ihr …?«
Eustace wollte etwas erwidern, aber noch während er sprach, vergaß er, was er hatte sagen wollen. Er merkte, wie sich etwas bleischwer auf ihn senkte, und er brauchte den Tisch als Stütze, um nicht von den Beinen zu kippen. Verwirrt starrte er auf den halb leeren Becher, von dessen Inhalt er doch nur wenige Schlucke getrunken hatte.
»Sieh mich an, Eustace«, verlangte Eleanor.
Er kam ihrer Aufforderung nach und stellte zu seiner Verblüffung fest, dass sie sich verändert hatte. Das Gebende um ihr Haupt hatte sie gelöst, sodass er ihren schlanken Hals sehen konnte und das grauweiße Haar, das einst strahlend blond gewesen sein mochte. Von Nadel und Stoff befreit, lag es eng an ihrem Kopf an und reichte ihr bis zu den Schultern.
»W as … was tut Ihr?«, stammelte Eustace, der sich kaum noch aufrecht halten konnte. Der Boden der Halle schien zu kippen.
»W as ich immer zu tun pflege, wenn ich etwas haben will«, erwiderte sie mit ruhiger Gelassenheit, während sie dazu überging, ihren Mantel und das darunterliegende Gewand abzulegen. »Ich nehme es mir.«
Eustace wollte fort, nur fort.
Er löste sich vom Tisch und wollte hinaus, aber er kam keine zwei Schritte weit. Mit einem dumpfen Aufschrei ging er nieder und fand sich am Boden wieder. Neben ihm lag der Becher, den er versehentlich mitgerissen hatte. Der restliche W ein rann aus und versickerte in den Fugen zwischen den Steinplatten, rot wie Blut.
»Ich will, dass du deinen Platz an der Spitze der Bruderschaft für Guillaume frei machst«, hörte er Eleanor sagen.
»Nie-niemals.«
»Du bist am Ende deiner Kräfte, Eustace. Was die Bruderschaft braucht, ist Führung – und dazu bist du nicht in der Lage. Oder willst du das ernstlich anzweifeln? Wenn sogar eine schwache Frau in der Lage ist, dich zu bezwingen?«
»Bezwingen«, echote er und starrte sie verständnislos an. Sie hatte ihr Gewand abgelegt und trug nur noch ein dünnes Hemd, das ihre knochige
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