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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Lügenkönig Harold Godwinson zu entmachten. Der Zug ins Heilige Land hingegen stellte eine Unternehmung dar, wie sie seit Jahrhunderten nicht unternommen worden war, und wenn Guillaume den religiösen Zielen des Feldzugs auch zweifelnd gegenüberstand, konnte er den politischen doch eine Menge abgewinnen. Sollten all diese Narren, die sich in Clermont versammelt hatten, ruhig glauben, dass ihr Schöpfer sie zu Höherem ausersehen hätte. Sollten sie getrost für ihr Seelenheil kämpfen und sterben – er, Guillaume de Rein, würde für sich selbst sorgen, nun, da er endlich die Chance dazu erhalten hatte …
    »W o sind wir hier?«, wollte er in energischem Tonfall von s einer Mutter wissen. Eine endlos scheinende Weile war er ihr durch unterirdische Korridore gefolgt, die vor langer Zeit in den Fels getrieben worden waren, auf dem die trutzigen Mauern von Burg Caen sich erhoben. Welchem Zweck sie einst gedient haben mochten – ob als Behausung, als Kerker oder als Grabstätte –, war nicht mehr zu erkennen. Im Grunde war es Guillaume auch gleichgültig. Er wollte nur wissen, woran er war.
    »W arte es ab, Sohn«, antwortete Eleanor mit ruhiger Stimme. Ein Sklave namens Manus ging ihr auf dem Stollen voraus, ein Pikte, der bei einem Zusammenstoß mit den Barbaren in Gefangenschaft geraten war und seither als Leibeigener diente. Anders als die übrigen Sklaven des Hauses de Rein hatte Manus eine vorteilhafte Eigenschaft: Er besaß keine Zunge mehr. Renald de Rein hatte sie ihm herausschneiden lassen, nachdem er ihn bespuckt und beschimpft hatte. Seither war Manus die erste Wahl, wenn es um einen verschwiegenen Helfer ging.
    Die Fackel, die der Pikte in seinen schwieligen Händen trug, verbreitete blakenden Schein, dennoch war ein Ende des Stollens nicht abzusehen, und mit jedem Schritt, den es weiter in die Tiefe ging, nahm der ekelerregende Geruch von Moder und Fäulnis zu.
    »Ich will aber nicht mehr länger warten, Mutter«, sagte Guillaume. »Ich will endlich wissen, wohin du mich führst.«
    »W ozu?«, fragte Eleanor über die Schulter zurück.
    »Damit ich mich nicht fühlen muss wie ein unmündiges Kind, sondern selbst entscheiden kann, was ich tun möchte und was nicht«, entgegnete Guillaume in beleidigtem Stolz.
    Mit einem knappen Befehl wies seine Mutter Manus an zu verharren. Auch sie selbst blieb stehen und wandte sich zu ihrem Sohn um. Das Gegenlicht der Fackel ließ ihre hagere Gestalt mit dem unförmigen Gebende um den Kopf furchteinflößend wirken. »Du möchtest also frei entscheiden? So wie damals, als du entschieden hast, zur Jagd auszureiten, und um ein Haar im Moor versunken wärst?«
    » Damals war ich noch ein Knabe, Mutter, noch keine zehn Jahre alt.«
    »Oder wie in London, als du in deinem Zorn beschlossen hast, deinen Trieben freien Lauf zu lassen und dich an einer Sklavin zu vergreifen?«
    »A-an einer Sklavin?« Guillaume glaubte, nicht recht zu hören. »Mutter, wie kommt Ihr darauf, mir dies zu unterstellen?«
    »Ich habe es an deinen Augen gesehen. Sie ist dir schon im Burghof aufgefallen, nicht wahr? Schon bei unserer Ankunft.«
    »Aber ich …«
    »V ersuche nicht, es zu leugnen. Ich habe dich in die Welt gebracht, Sohn, und ich kenne dich besser als jeder andere. Und selbst, wenn es nicht so wäre – man brauchte dich in jener Nacht nur anzusehen, um zu wissen, dass du dich wie ein Schwein im Dreck gesuhlt hattest. Du kannst von Glück sagen, dass der König junge Männer zu schätzen weiß und an deinem Antlitz größeres Interesse fand als an deiner übrigen Erscheinung. Andernfalls wären wir wohl jetzt nicht hier.«
    »Ich … ich …« Guillaume suchte nach Ausflüchten, aber ihm fielen keine ein. Es hatte den Anschein, als könnte seine Mutter geradewegs in seine Gedanken blicken, entsprechend fühlte er sich.
    Entblößt.
    Machtlos.
    Anstelle einer Erwiderung ließ er den Kopf sinken, worauf Eleanors knochige Rechte ihm sanft über den Scheitel strich. »Guillaume«, sagte sie leise, »du bist mein Fleisch und Blut, und ich will nur das Beste für dich. Aber zumindest in dieser einen Hinsicht hat der Baron recht: Du musst erwachsen werden und lernen, Verantwortung zu übernehmen.«
    Guillaume nickte, zögernd und gegen seinen Willen. Er hatte es satt, unablässig gemaßregelt zu werden und sich für das, was er war und tat, verantworten zu müssen. Aber sein Verstand sagte ihm, dass Gehorsam eine Notwendigkeit war, der er sich wohl oder übel beugen musste. Noch.
    »

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