Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
sein Schwager sowie ein Kontingent flämischer Ritter unter der Führung des Grafen von Flandern, der ebenfalls Robert hieß und dessen R eichtum so sagenhaft war, dass er, wie es hieß, den Heereszug seiner Männer aus eigener Tasche bezahlte.
Den Anführern des Heeres schlossen sich deren Gefolgsleute an, zuvorderst die Reiter, dann das Fußvolk. Irgendwo inmitten des unüberschaubaren Pulks aus Kettenhemden und Lanzen, die über der Schulter getragen wurden und an deren Enden bunte Fahnen wehten, marschierten auch jene normannischen Kämpfer, die sich der Streitmacht von England aus angeschlossen hatten, und mit ihnen auch der wackere Baldric, der unentwegt plappernde Bertrand, der schweigsame Remy und Conn. Dem Hauptkontingent wiederum folgte ein nicht enden wollender Tross, der unzählige Handwagen und Ochsenkarren mitführte und dem neben Köchen, Schmieden, Sattlern und Zimmermeistern auch zahllose Frauen und Kinder angehörten. Angesichts der Tatsache, dass der Feldzug fraglos mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre dauern würde, hatten sich viele Kämpfer entschlossen, ihre Familien auf die lange Reise mitzunehmen. Auch edle Frauen begleiteten in großer Anzahl ihre Männer, freilich hoch zu Ross und von einem dichten Kordon Bewaffneter umgeben, die dafür sorgten, dass kein begehrlicher Blick eines niederen Soldaten die hohen Damen und ihre Dienerinnen treffen konnte. Dazu kamen Mönche, fratres und Laienbrüder, die sich ebenfalls entschlossen hatten, dem Ruf ins Heilige Land zu folgen und sich so ihr Seelenheil schon zu Lebzeiten zu erwerben.
Die Erfahrung des langen Marsches war neu für Conn, aber er nahm dankbar zur Kenntnis, dass infolge der Strapaze und der Gleichförmigkeit eines jeden Tages seine Trauer in den Hintergrund trat. Noch vor Sonnenaufgang erscholl der Weckruf, und es gab eine Mahlzeit, die je nachdem, ob man in den Diensten eines wohlhabenden oder eher ärmlichen Herren stand, üppig oder knapp ausfiel. Obschon Baldric nicht besonders begütert schien und nur ein einziges Pferd sein Eigen nannte, sorgte er stets dafür, dass Conns Magen gefüllt und er bei Kräften blieb. Danach begann der Tagesmarsch, der nur z ur Mittagsstunde kurz unterbrochen wurde, wenn die Sonne den Zenit erreichte.
Je weiter sie nach Süden gelangten, desto heißer wurde es, sodass die Erhebungen Frankreichs zum ersten Prüfstein für das Heer der – so nannten sie sich inzwischen – Kreuzfahrer wurde. Noch war man jedoch guter Dinge. Sobald die Hitze des Tages ein wenig nachließ, wurden nicht selten Lieder angestimmt, religiösen Inhalts zumeist, aber hin und wieder auch andere, zum Missfallen der Kirchendiener, die das Heer begleiteten.
Vor Sonnenuntergang wurde das Nachtlager aufgeschlagen, und es oblag jedem einzelnen Kämpfer, für seinen Schlafplatz zu sorgen. Der überwiegende Teil nächtigte unter freiem Himmel, was infolge des milden Wetters in diesen späten Sommertagen problemlos möglich war; die wohlhabenderen Kämpen und ihre Familien schliefen hingegen in Zelten, die ihre Untergebenen für sie errichteten, oder fanden in benachbarten Dörfern und Bauernhäusern Zuflucht, deren ursprüngliche Bewohner entweder freiwillig das Feld räumten oder kurzerhand an die Luft gesetzt wurden.
An sich wäre Conn damit bedient gewesen, nach dem Nachtmahl, das aus Brot, Käse und einem Stück Pökelfleisch bestand, auf sein Lager zu sinken, sich in seine Decke zu hüllen und zu schlafen – doch Baldric ließ es nicht dazu kommen. Zum einen gab es immer noch Pflichten, die Conn zu versehen hatte – vom Auffüllen der Wasserschläuche über das Füttern und Tränken des Pferdes bis hin zum Ausbessern von Kleidung und Ausrüstung. Zum anderen schien es sich der Normanne aber auch in den Kopf gesetzt zu haben, die Zeit bis zum Eintreffen im Heiligen Land zu nutzen, um aus Conn einen halbwegs brauchbaren Schwertkämpfer zu machen.
»Den Schild hoch«, beschied er ihm barsch, während sie sich im Schein lodernder Fackeln gegenüberstanden, auf einer Hügelkuppe, unterhalb derer sich das Feldlager erstreckte. »Oder willst du unbedingt dein Gebiss verlieren?«
Um seine Warnung zu unterstreichen, führte der Normanne s ein Schwert in einer waagerechten Kreisbewegung, so rasch, dass Conn kaum noch reagieren konnte. Zwar gelang es ihm, den Schild ein wenig anzuheben, sodass er zumindest seine Kinnpartie schützte. Aber es reichte nicht aus, um Baldrics kraftvollen Hieb ganz abzuwehren. Die Klinge strich über die
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