Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
obere Kante des Schildes hinweg, und Conn konnte von Glück sagen, dass sie nicht aus geschärftem Metall bestand, sondern lediglich aus Holz, das ihm zwar eine gehörige Maulschelle versetzte, Wange und Kiefer jedoch beisammenließ.
Der Schmerz war dennoch recht beeindruckend; einen Augenblick lang tanzten Sterne vor Conns Augen. Bemüht, sich außer Reichweite seines Gegners zu bringen, taumelte er ein, zwei Schritte zurück. Da es jedoch bereits dunkel war und die im Boden steckenden Fackeln den Kampfplatz nur unzureichend beleuchteten, übersah er eine Vertiefung im morastigen Boden und verlor das Gleichgewicht. Mit einem dumpfen Aufschrei stürzte er nach hinten und landete auf dem Allerwertesten, geradewegs in einer Dreckpfütze, die nach allen Seiten spritzte. Die Eisenhaube auf seinem Kopf rutschte nach vorn und nahm ihm die Sicht, sodass er sich vorkam wie ein ausgemachter Trottel. Hastig schob er den Helm zurück in den Nacken – nur um zu sehen, dass die hölzerne Spitze von Baldrics Übungsschwert bereits an seiner Kehle schwebte.
»Junge«, stöhnte der Normanne und verdrehte das eine Auge, »wäre dies eine echte Klinge und wäre ich ein echter Gegner, so würdest du jetzt schon vor deinem Schöpfer stehen.«
»Ich weiß«, gab Conn kleinlaut zu.
»Aber natürlich wird unser angelsächsischer Dickschädel nicht aufgeben, oder?«, rief Bertrand lachend herüber, der zusammen mit Remy auf einem vom Wind gefällten Baum hockte und an einem kleinen Holzpferd schnitzte, wie er es häufig zu tun pflegte. Überhaupt besaß der Normanne ein gewisses Geschick darin, sein Messer zu benutzen, um einem Holzklotz Form und Gestalt abzutrotzen – auch die Übungsschwerter stammten aus seiner Fertigung. Die kleinen Figuren, die er z urechtschnitt, pflegte er Bauernkindern zu schenken, gewissermaßen als Trost dafür, dass des Herzogs Soldaten Kornsack um Kornsack aus den Vorratsspeichern ihrer Väter schleppten.
Conn bedachte ihn mit einem Seitenblick und schüttelte als Antwort auf dessen Frage störrisch den Kopf.
»W illst du es einmal mit ihm versuchen, Bertrand?«, fragte Baldric. »Ich werde es allmählich leid, ihn immer dieselben Lektionen zu lehren.«
»Nein, lass nur«, wehrte der andere ab und hob demonstrativ Schnitzwerk und Messer hoch, »ich bin anderweitig beschäftigt. Aber Remy sieht so aus, als könnte er es kaum erwarten, unserem Grünschnabel etwas beinzubringen.«
Das war freilich gelogen, denn der Gesichtsausdruck des schweigsamen Hünen unterschied sich in nichts von der Allerweltsmiene, die er auch zu jeder anderen Tageszeit zum Besten gab. Dennoch erhob er sich bereitwillig, bleckte das löchrige Gebiss und trat auf den Kampfplatz, um Baldric abzulösen.
»Bitte«, sagte der und händigte Remy das Holzschwert aus, »aber nimm ihn nicht zu hart ran. Schließlich ist er noch ein blutiger …«
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als der Hüne bereits auf Conn einschlug, und zwar keineswegs mit gezügelter Wucht, sondern so gründlich und kraftvoll, als gelte es, einem Eber den Schädel zu spalten. Conn, der noch immer auf dem Boden kauerte, sah die Klinge heranzischen und konnte nichts tun, als sich hinter seinen Schild zu ducken – der im nächsten Moment furchtbar unter dem Hieb erbebte. Fast gleichzeitig spürte Conn den Schmerz in seinem linken Arm – die alte Wunde, die sich wieder meldete.
Auf dem Gesäß durch den Morast rutschend, brachte er sich außer Remys Reichweite, der sein ganzes Gewicht in den Schlag gelegt hatte und einen Moment brauchte, um seine Leibesmasse wieder auszurichten. Rasch sprang Conn auf die Beine und nahm Verteidigungshaltung ein, wie Baldric es ihm b eigebracht hatte, den Körper mit dem Schild deckend, das Schwert halb erhoben.
»So ist es gut«, lobte ihn sein Herr. »Beobachte seine Bewegungen. Ein Kämpfer seiner Größe muss das Gewicht verlagern, ehe er wieder angreift.«
Conn gab sein Bestes – und fiel dennoch auf die Finte seines Gegners herein. Mit einem Geschick, das einem Riesen wie ihm kaum zuzutrauen war, täuschte Remy einen weiteren Schwertstreich an, und Conn hob den Schild, worauf erneut heißer Schmerz durch seinen Arm zuckte. Remy jedoch änderte die Richtung seiner Attacke und stieß unerwartet zu. Hätte Conn nicht blitzschnell reagiert, wäre der Kampf schon wieder zu Ende gewesen. So riss er die eigene Klinge empor und parierte den Stoß, trug seinerseits einen Angriff vor, den sein erfahrener Gegner jedoch ins Leere
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