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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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konnte jetzt ihre schlechten Zähne erkennen und die runzelige Haut.
    » Libuse «, sagte der Ritter, » das Schwert. «
    Sie half ihm, seine Klinge in die Rückenscheide zu schieben, und ließ dann mit offenem Widerwillen auch ihre eigene Waffe verschwinden.
    » Sie laden uns in ihr Dorf ein «, sagte Corax. » Ich denke, wir sollten annehmen. «
    » Und wenn es eine Falle ist? «, fragte Aelvin. Favola ergriff wieder seine Hand.
    » Ihre Männer oder sie selbst könnten uns jederzeit aus dem Hinterhalt überfallen «, sagte Albertus nachdenklich. » Auf der Straße sind wir ihnen kaum weniger ausgeliefert als in ihrem Dorf. Außerdem mag es von Nutzen sein, ein wenig über diesen Räuberhauptmann zu erfahren. «
    Libuses finstere Miene verriet nicht, was sie dachte. Vielleicht vertraute sie dem Urteil ihres Vaters, ohne ihr Misstrauen gänzlich zu verlieren.
    Die Sprecherin der Frauen trat allein auf sie zu, fiel vor Albertus auf die Knie und küsste seinen Handschuh. Mit demütig gesenktem Haupt murmelte sie etwas.
    » Sie erbittet deine Hilfe «, sagte Corax. » Sie sagt, ihr Dorf brauche dringend den Beistand eines Geistlichen. «
    Albertus räusperte sich und half der Frau, sich vom Boden zu erheben. » Dann wollen wir sie nicht enttäuschen, oder? «
    *
    Das Dorf lag in einem Seitenarm des Moravatals, kaum dreihundert Schritt vom Ufer entfernt, aber durch eine Biegung der engen Kluft vor Blicken von der Straße geschützt.
    Der Duft von Torf- und Holzfeuern hing in der Luft, durchmischt mit dem Gestank von Viehmist. Ein Dutzend ärmlicher Holzhütten umringte einen lang gestreckten Platz. An seinem Ende stand eine hölzerne Kirche, deren Dach auf einer Seite ein gewaltiges Loch aufwies. Schwarze, halb verkohlte Balken stachen ins Leere wie faule Zahnstümpfe in einem aufgerissenen Maul.
    Aelvin fuhr zusammen, als eine ihrer sechs Begleiterinnen einen Ruf ausstieß. Sie hatten den Dorfplatz noch nicht betreten, als aus mehreren Hütten weitere Frauen ins Freie traten. Hühner liefen gackernd durch den aufgewühlten Schnee, aus einem Stall drang das Blöken von Schafen. Auf dem Holzkreuz der Kirche, hoch über dem Eingang, hockten zwei Krähen und krächzten.
    » Gibt es hier nur Frauen? «, fragte Favola verwundert.
    Tatsächlich waren die Gesichter, die ihnen entgegenblickten, allesamt weiblich. Frauen jeden Alters, zwei oder drei junge Mädchen und Kinder. Aber kein einziger Mann. Einige Frauen erhoben Mistgabeln und Beile, doch auf einen scharfen Zuruf ihrer Anführerin hin ließen sie ihre Waffen sinken.
    » Frag sie, was mit der Kirche geschehen ist «, sagte Albertus zu Corax.
    Bald darauf bekam er die Antwort. » Sichels Leute haben sie in Brand gesteckt, weil diese Menschen einem Trupp Königstreuer Unterschlupf vor einem Schneesturm gewährt haben. Als hätten sie eine andere Wahl gehabt. «
    » Dann gibt es also Männer des Königs in dieser Gegend! «, rief Aelvin hoffnungsvoll. Er erinnerte sich an das, was Sebastianus über das Versprechen des serbischen Königs Stefan gesagt hatte; darüber, dass er der Räuberei in diesen Wäldern ein Ende machen wolle.
    Corax sprach erneut mit der Anführerin, dann erklärte er:
    » Scheint so, als wüssten sie kaum etwas über ihren König oder das, was er vorhat. Aber sie sagen, es seien tatsächlich Ritter gewesen, Männer in Rüstzeug und mit vielen Waffen. Sichel habe sich an den Dorfbewohnern gerächt, weil diese Reiter gekommen seien, um Jagd auf die Räuber zu machen. «
    An die fünfzehn Frauen hatten sich jetzt auf dem Platz versammelt, und ihrer aller Blicke hingen erwartungsvoll an Albertus. Ehrfürchtig schwiegen die meisten, nur einige tuschelten hinter vorgehaltener Hand miteinander und wurden dafür von anderen zurechtgewiesen.
    » Sichel hat ihnen verboten, die Kirche wieder aufzubauen «, sagte Corax nach einem weiteren Wortwechsel mit der Sprecherin. » Ein Jahr lang sollen sie gottlos leben, hat er gesagt. Ihren Priester hat er bei dem Überfall über das Tor der Kirche genagelt und befohlen, dass er dort hängen bleiben soll. Sonst ergehe es ihnen so wie ihren Männern. «
    Aelvin erinnerte sich an das Urteil des Erzbischofs Konrad über den Leeren Ritter Ranulf. Die Menschen in diesem Dorf waren offenbar aus anderem Holz geschnitzt als die fügsamen Zisterzienser, denn nun berichtete Corax, dass die Frauen den Leichnam des Priesters gleich am nächsten Tag beerdigt hatten. Lediglich ein kirchlicher Segen müsse noch über das Grab

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