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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er konnte ebenso gut hier wie anderswo stattfinden.
    Zubaida schüttelte den Kopf. » Warum sollte ich das tun? Ich habe sie selbst fortgeschickt. «
    » Das wart Ihr? «
    » Natürlich. Nicht einmal der Kalif bestimmt in diesen Räumen, ohne dass ich meine Zustimmung gebe. «
    » Was also wollt Ihr von mir? «
    » Die Wahrheit. «
    Sinaida zögerte. » Wie meint Ihr das? «
    » Versuch nicht, mich an der Nase herumzuführen, mein Kind. Du bist eine mongolische Prinzessin, so viel hat der Wesir mir verraten, als er dich herbringen ließ. « Sie musterte Sinaida aufmerksam, während sie sprach, so als wartete sie auf irgendein Zeichen. » Ist dir aufgefallen, dass der Kalif in den letzten Tagen kein einziges Mal hier im Harem war? «
    In der Tat hatte Sinaida ihn nie zu Gesicht bekommen.
    » Er hat keine Zeit für Ruhe und Entspannung «, sagte Zubaida. » Ein Krieg steht bevor, ganz Bagdad redet davon. Täglich verlassen Kundschafter die Stadt, um das Heer unserer Feinde auszuspionieren, aber bisher ist keiner zurückgekehrt. Der Wesir hat versucht, ihn zu überzeugen, eine eigene Streitmacht auf den Weg zu bringen. Aber der Kalif hält es für klüger, sich hier in Bagdad zu verschanzen. Er sagt, die Stadt sei uneinnehmbar, und vielleicht hat er Recht damit. «
    Ein Dummkopf ist er, dachte Sinaida, behielt den Gedanken aber für sich. » Viele werden sterben «, sagte sie stattdessen. » Auf beiden Seiten. Aber am Ende wird Bagdad brennen, falls die Schlacht wirklich hier stattfindet. «
    Zubaidas Augen verengten sich kaum merklich. » Wer bist du wirklich, Sinaida? «
    » Glaubt Ihr etwa, ich könnte mein Volk aufhalten? Ist es das? «
    » Ich wünschte, es wäre so. Aber keine Geisel der Welt könnte eine Streitmacht wie die eure aufhalten. Ja, mein Kind, ich habe von der Großen Horde gehört. Und ich zweifle nicht, dass sie bald vor unseren Toren steht. «
    Sinaidas Körper spannte sich. » Ich bin die Schwägerin Hulagus, des Il-Khans der Großen Horde. Er ließ meinen Mann ermorden und mich gefangen nehmen. Ich konnte fliehen und kam hierher, um den Kalifen zu warnen. «
    » Gewiss nicht aus Freundschaft. «
    » Nein «, erwiderte Sinaida. » Alles, was ich will, ist, Hulagu scheitern zu sehen. Bagdad bedeutet mir nichts. «
    » Dann geht es dir also nur um Rache. « Zubaida klang sachlich, so als hätte sie nichts anderes erwartet.
    » Als er meinen Mann töten ließ, hat Hulagu mir das Einzige genommen, das mir etwas bedeutet hat. « Wie ein stummer Vorwurf geisterte das Gesicht ihrer Schwester durch Sinaidas Gedanken, doch sie verdrängte die Erinnerung. » Ist Rache ein so schlechter Grund, irgendetwas zu tun? «
    Die alte Frau seufzte leise. » Nein … nein, das ist sie woh l n icht. In meinem Alter vergisst man leicht, wie es ist, wenn etwas ein Feuer in einem entfacht. Ganz gleich, ob Liebe oder Hass. «
    » Lasst mich Euch helfen. Ich will Euch alles verraten, was ich über die Große Horde weiß. Truppenstärken, Strategien, Bewaffnung … alles. Ich muss nur mit dem Kalifen darüber sprechen. «
    Zubaida nickte. » Abu Tahir hätte dich viel früher zu meinem Sohn bringen sollen. «
    » Noch ist es nicht zu spät. « Doch, dachte sie insgeheim, das ist es. Zu spät, um die Schlacht nach draußen in die Wüste zu verlagern. Die Vorboten der Großen Horde konnten jeden Tag eintreffen, und sie würden den Krieg geradewegs in die Gassen der Stadt tragen. Die äußeren Quartiere waren ungeschützt. Ein Massaker ließ sich kaum noch vermeiden. Nur die Runde Stadt war mit hohen Mauern befestigt, aber wie viele Menschen fanden darin wohl Schutz? Vielleicht ein Fünftel der Bevölkerung Bagdads? Vermutlich weit weniger, wenn erst die gesamte Armee innerhalb der Mauerringe Stellung bezogen hatte.
    » Was wird aus deiner Flucht? «, fragte Zubaida.
    Sinaida zuckte die Achseln. » Ich wollte nicht fliehen, um mein Leben zu schützen. Ich kann nur nicht tatenlos abwarten, bis Hulagu die Tür des Harems aufstößt und seinen Heerführern die Frauen des Kalifen vorwirft. «
    » Der Wesir hat einen schweren Fehler gemacht «, stellte Zubaida nachdenklich fest. » Er hätte erkennen müssen, wie wertvoll du für uns bist. Sei versichert, dass der Kalif davon erfahren wird. «
    Sinaida verneigte sich ehrerbietig. » Ich danke Euch, Edle Zubaida. «
    Die alte Frau nickte ihr zu und deutete auf einen Überwurf aus feinsten Fellen, der auf den Kissen bereitlag. » Zieh das über. Ich führe dich jetzt zu meinem Sohn.

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